0301 - Druiden-Rache
die Zeit, die wir hatten. Bis Weihnachten war es nicht mehr weit.
London erstrahlte bereits in einem festlichen Glanz. Die Menschen kauften, die Geschäftsleute rieben sich die Hände. Für sie war das Klingeln der Kassen wie Glockengeläut.
Auch ich hatte mich in den vergangenen Jahren stets in den Trubel gestürzt, um Geschenke zu besorgen, doch in diesem Jahr sah es anders aus. Da ließ mir der Job einfach keine Zeit, auch nur eine Kleinigkeit zu besorgen. Ich ahnte, daß sich die Suche nach den restlichen Dolchen noch ziemlich lange hinziehen würde, falls wir sie überhaupt fanden und überlebten.
Mandra Korab seufzte schwer. »Du hast vielleicht einen kleinen Denkfehler gemacht, Suko. Als mir die Dolche den Weg wiesen und vor einer Gefahr warnten, da waren die Gegebenheiten andere. Ich besaß sämtliche sieben Dolche, jetzt aber habe ich leider nur einen einzigen. Das ist der große Unterschied.«
»Macht das denn was?«
»Für mich bestimmt. Dieser Dolch wird nicht reagieren. Es fehlt einfach zu viel.«
»Das glaube ich nicht so recht.« Suko blieb stur. »Wohnt nicht in jeder Waffe eine bestimmte Kraft, die man, das ist wenigstens meine Ansicht, aktivieren und hervorlocken muß? Vielleicht kann uns dieser eine Dolch Auskunft geben.«
Mandra schüttelte den Kopf. »Das ist einfach zu fantastisch. Daran kann ich nicht glauben. Es widerspricht meiner Ansicht nach den alten Gesetzen.«
Auch ich war eigentlich enttäuscht von Mandras Reaktion. »So habe ich dich noch nie erlebt, mein Lieber.«
Er schaute mich an. »John, man hat mir die Dolche gestohlen. Stell dir vor, man hätte dir dein Kreuz genommen. So kannst du ungefähr nachfühlen, was in mir vorgeht.«
»Das verstehe ich sogar«, gab ich dem Mann aus Indien recht.
»Aber würdest du nicht auch kämpfen, um das wieder zurückzuholen, was dir gehört?«
»Im Prinzip hast du recht.«
Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Dann tu es, Mandra. Du hast bei uns jegliche Unterstützung, das kann ich dir schriftlich geben, wenn du willst.«
»Das weiß ich doch alles, John, und ich danke euch auch dafür. Aber ich weiß nicht, wo und wie ich den Hebel ansetzen soll. Tut mir leid, wirklich.«
»Ich hätte da unter Umständen eine Idee«, sagte Suko so leise, daß wir es soeben verstanden.
»Und welche?«
Die Frage hatte ich gestellt. Sukos Antwort allerdings galt Mandra und mir.
»Du könntest es vielleicht mit deinem Kreuz versuchen, John.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wie? Kreuz und Dolch?«
»Ja, das meine ich.«
»Aber wie soll das gehen?« fragte auch Mandra. »Das sind Dinge wie…« Er suchte nach einem Vergleich. »Fast wie Feuer und Wasser.«
Suko ballte die Hand. »Himmel, bin ich denn heute Abend nur der einzige, der denken kann?«
Ich grinste schief. »Wahrscheinlich.«
»All right, dann will ich es euch sagen, wie man es machen muß. John, du nimmst dein Kreuz und wirst es mit dem Dolch in Zusammenhang bringen. Muss ich dich erst daran erinnern, daß der alte Hesekiel sehr weitsehend gewesen ist und nicht nur die alttestamentarische Mythologie mit in das Kreuz hineingebracht hat. Er hat damals schon gewußt, welch eine Bedeutung das Kreuz einmal erlangen würde, aber er wußte auch von den noch älteren Mythologien.«
Jetzt verstand ich und hauchte die Antwort. »Die heilige Silbe.«
»Ja, John, genau!«
Ich drehte den Kopf und blickte Mandra Korab an. Der Freund hatte uns zugehört. Wie erstarrt hockte er in seinem Sessel. Wir ließen ihm Zeit, und nach einer Weile flüsterte er: »Die heilige Silbe. Das ist… das geht nicht …«
Ich wußte, was in meinem Freund Mandra vorging. Die heilige Silbe auszusprechen, das war etwas ganz Besonderes. Es war das feierlichste aller Wörter Indiens. Es steht gewöhnlich am Anfang der heiligen Schriften und Gebete der Inder. Es war zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben der drei Götter Agni, Varuna (Uaruna) und Marut. Gleichzeitig soll die Silbe die drei Elemente Feuer, Wasser und Luft andeuten. Diese Silbe darf niemals in Gegenwart von Nichteingeweihten gesprochen werden, dann ergab es keine Wirkung. Allzu viel wußte ich nicht über sie, doch die Silbe blieb nicht auf Indien konzentriert. Man fand die drei Buchstaben auch bei den alten Hebräern wieder, wo sie aus Sanskritbuchstaben zusammengesetzt wurden. Das allerdings interessierte uns im Augenblick nicht. Wichtiger war die indische Mythologie, und Sukos Vorschlag konnte man als hervorragend bezeichnen, denn Mandra
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