0302 - Der Unhold
konnte in einem Flur sein oder in einer Wohnung. Beides war gleich riskant, und ich verhielt mich dementsprechend vorsichtig.
Sehr langsam nur arbeitete ich, bis die Klappe fast waagerecht stand.
Dann hatte ich es geschafft.
Als sie zur anderen Seite hin kippte, schnellte mein rechter Arm vor, und es gelang mir, sie festzuhalten, damit sie nicht mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden schlug.
Ein erster Blick.
Ich sah ein Bett, einen Nachttisch, eine Wand, an der mit Büchern gefüllte Regalbretter hingen, und einen offenen Durchgang zum Nebenzimmer, dessen günstige Sicht darauf mir allerdings durch das Bett noch versperrt war.
Ich stemmte mich hoch.
Und da hörte ich die Geräusche!
***
Das Monster stieß sich ab. Gleichzeitig gellte das Lachen der alten Frau, und Mandra riß den Dolch aus der Scheide.
Er hätte nicht gedacht, daß das Untier so schnell sein würde. Zudem schnappte die alte Frau zu, umklammerte den Dolchgriff und riß die Waffe aus Mandras Hand.
Der Schmerz betäubte ihn fast.
Diesmal konnte er einen Schrei nicht unterdrücken. Aus der Hand strömte das Blut wie Wasser aus einer Quelle. Mandra war zum Glück geistesgegenwärtig genug, um sich nach hinten zu werfen, so daß er zusammen mit dem Stuhl zu Boden ging.
Durch diese Reaktion verfehlte ihn der erste Angriff der Bestie.
Der Sprung war bis zu Mandras erstem Standplatz berechnet gewesen, war nun zu kurz und der Körper prallte gegen die Tischkante.
Mandra aber lag am Boden. Die linke Hand konnte er nicht mehr gebrauchen. Bis hoch in die Schulter stachen die Schmerzen, und die einzelnen Sehnen der Finger schienen durchgeschnitten zu sein, denn die Finger blieben gekrümmt und steif. Es war Mandra zudem kaum möglich, den Dolch zu ziehen, denn er war unglücklich auf die Seite gefallen und mußte sich erst einmal erholen.
Rosa Beluzzi aber sprang auf. Sie hatte es sich plötzlich anders überlegt und begann die Waffe zu schwingen, die sie aus Mandras Hand gezogen hatte.
»Laß ihn mir!« brüllte sie, wobei ihre Stimme fast überkippte.
Die Bestie hörte sie, dachte aber nicht daran, ihr zu gehorchen, und die Frau mußte erst rabiat werden. Durch einen Tritt schleuderte sie das Monstrum zur Seite, das erst wütend herumfuhr, dann aber geduckt stehen blieb und die Beluzzi funkelnd anschaute.
Rosa Beluzzi wollte die Waffe auf den am Boden liegenden Mandra Korab schleudern. Sie zielte dabei gegen die Brust.
Der Inder konnte der Gefahr nicht mehr entrinnen. Er hielt zwar seinen ersten Dolch schon in der Hand, doch es bereitete ihm Mühe, sich in die Zielrichtung zu drehen.
Rosa hob den Arm.
Genau in dem Augenblick flog die Tür auf, und Claudia Corelli betrat das Haus…
La Bandita brauchte nicht einmal zwei Sekunden, um die Lage genau zu überblicken. Sie stand weit oben an der Spitze, sie befehligte eiskalte Gangster, und da verlangte man von ihr ein blitzschnelles Entscheidungsvermögen. Zudem mußte sie in der Lage sein, sich auf neue Situationen blitzschnell einzustellen.
Das konnte sie.
Claudia sah die Bestie rechts an der Zimmerwand, sie sah Mandra am Boden, und sie entdeckte ihre Tante, die vor dem Inder stand und die rechte Hand erhoben hatte, in der sie einen Dolch mit schwarzer Klinge hielt.
Ein Bild wie aus einem Horror-Schocker. Leider eine Tatsache, denn in diesem Zimmer sollte ein Mord geschehen.
»Rosa!«
Claudia brüllte den Namen mit schriller Stimme. Sie wollte es eigentlich nicht, aber es rutschte ihr so raus.
Rosa Beluzzi fuhr herum.
Der Schrei hatte sie alarmiert. Plötzlich war Mandra Korab nebensächlich geworden. Ihr Gesicht wurde zu einer Fratze, der Mund verzerrte sich zu einem breiten Maul, und aus der Drehung schleuderte sie in einem Reflex die Klinge. Claudia hatte noch ihre eigene Waffe ziehen wollen, die Hand gelangte nicht einmal bis zum Griff der Pistole, denn der Dolch war bereits unterwegs.
La Bandita hatte das Gefühl, als würde ein Blutfaden auf sie zuhuschen, so sehr leuchtete in diesen Augenblicken die Klinge, dann spürte sie den dumpfen Schlag an der Brust und hatte auf einmal das Gefühl, zerteilt zu werden.
Getroffen!
Sie hat mich getroffen!
Es waren schreckliche Gedanken, die sie leider als Tatsache akzeptieren mußte.
Getroffen!
Sie riß die Augen weit auf. In der kurzen Zeitspanne war jegliches Blut aus ihrem Gesicht gewichen, die Züge in Grauen erstarrt, und ihre Beine begannen zu zittern.
Sie konnte sie kaum vom Boden heben, obwohl sie vorangehen wollte. Bei
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