0303 - Die Satans-Zwerge von Sylt
Haut.
Susanne schreckte zusammen und lachte leise.
»Was hast du?« fragte sie nun Jan besorgt.
»Deine Hände sind noch so kalt.«
»Entschuldige, aber…«
In diesem Augenblick richtete sich hinter Susanne der teuflische braune Gnom auf. Obwohl er die beiden liegenden jungen Menschen überragte, nahm niemand Notiz von ihm. Jan und Susanne waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Der Gnom wußte haargenau, was er zu tun hatte. Drei Schritte zog er sich zurück.
Das war die richtige Distanz.
Er hörte das Flüstern der Verliebten. In seine roten Augen trat ein noch böserer Ausdruck, und er öffnete sein Maul, faßte mit zwei spitzen Fingern an die Zunge und zog sie wie eine Leine hervor.
Das glühende Lasso war wurfbereit.
Im nächsten Moment schleuderte er es mit einer solchen Zielsicherheit, daß an ein Ausweichen nicht zu denken war. Um den Hals des Mädchens wickelte es sich nicht, dafür um den Arm.
Mit einem heftigen Ruck zog der Zwerg die Leine straff.
Das war die Sekunde, als Susanne Richter anfing zu schreien!
Ralf Richter begann zu lachen und schaute dabei schwerfällig in die Runde.
»Was hast du?« fragte Thorsten.
»Sie sind weg.«
»Die beiden Turteltauben?«
»Klar, Mensch.«
Ralf schüttelte den Kopf. »Ich habe es gewußt. Jan hat Bock auf meine Schwester.«
»Und?«
»Nichts und. Ist mir doch egal. Schließlich ist sie sechzehn. Ich kann ihr doch keine Vorschriften machen.«
»Das stimmt.«
Ralf hob die Schultern. »Verdammt kalt hier, Mensch.«
»Hätte Jan die dritte Flasche mitgebracht, könnten wir uns jetzt wärmen.«
»So meine ich das nicht. Das ist eine andere Kälte. Sie kommt von außen, verstehst du?«
»Dann müssen wir was nachlegen.«
Ralf drehte den Kopf. »Woher nehmen und nicht stehlen. Wir haben alles verfeuert.«
Thorsten widersprach. »Nicht alles, mein Lieber. Denk an den Schrott, der noch im Haus liegt.«
»Du meinst in der Abstellkammer?«
»Genau.« Richter stemmte sich auf die Füße. Er blieb etwas schwankend stehen und reckte die Arme. »Dann werde ich das Zeug eben holen«, sagte er.
»Soll ich mitkommen?« fragte Thorsten.
»Laß mal. Ich schaue sowieso nur nach. Dann rufe ich dich, und du kannst mir tragen helfen.«
»Geht klar.« Thorsten Hanke blickte seinem Freund nach, wie er auf die Strandhütte zuschritt. Er hatte wirklich keine Lust aufzustehen, aber kalt war ihm schon geworden.
Auch Ralf Richter war nicht scharf darauf, frisches Holz zu besorgen.
Aber wenn sie sich nichts abfrieren wollten, mußte es sein.
Der Junge spürte die Müdigkeit. Nicht daß er zu wenig Schlaf gehabt hätte, nein, es war auch die Wirkung des Alkohols, die diesen Zustand verstärkte. Er hätte doch nicht soviel trinken sollen. Vor allen Dingen war er das Zeug nicht gewohnt, das haute ihn glatt aus den Pantinen. So richtig klar konnte er nicht sehen. Zum Glück blies ihm der Wind ins Gesicht, das erfrischte.
Er dachte an sein Bett und wünschte sich nichts sehnlicher, als darin zuliegen. Anderseits wollte er sich vor den Freunden nicht blamieren.
Im vergangenen Jahr hatten sie es bis in die vierte Morgenstunde ausgehalten. Es war ein Rekord gewesen, und den wollten sie in diesem Dezember auch aufstellen.
»Reiß dich zusammen!« murmelte er und machte sich durch diese Bemerkung selbst Mut.
Das Laufen tat ihm gut. Ralf sah wieder klarer, und er erkannte auch die Umrisse der Hütte.
Ralf Richter kannte sich aus. Im Sommer hatte er Lars Lengrich oft geholfen, die Körbe aufzustellen und sie am Abend zu säubern.
Deshalb wußte er auch, wie er durch den Hintereingang in den kleinen Bau gelangen konnte.
Ralf umrundete die Hütte, sah die Tür vor sich und drückte die Klinke nach unten.
Mit der Unterkante schleifte sie über den Boden. Es kratzte und schabte. Das Geräusch kannte er, und es würde sich wohl nie ändern.
Plötzlich stockte er. Die Tür war überhaupt nicht geschlossen gewesen. Sie hatte einen Spalt aufgestanden.
Komisch…
Ralf wollte sie weiter nach innen drücken, als er auf der anderen Seite einen Widerstand spürte. Ob da jemand stand? Vielleicht Susanne und ihr Freund Jan. Konnte ja sein, daß sie sich die Hütte, unbemerkt von den beiden anderen, als stilles Plätzchen ausgesucht hatten.
Ein Grinsen flog über Ralfs Gesicht, als er daran dachte.
Dann kippte er vor.
Das ging sehr schnell. Es gelang ihm nicht mehr, sich zu fangen.
Er prallte noch gegen die Tür, rutschte an dem rauen Holz entlang und wurde nach vorn
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