0303 - Die Satans-Zwerge von Sylt
sahen wir zwar nicht, wir hörten es aber.
Zwei Schreie erreichten unsere Ohren. Allerdings aus verschiedenen Richtungen.
Der eine von rechts, der andere von links. Es waren Schreie der Wut und der Angst, das hörten wir genau heraus.
Suko und ich schauten uns an.
Ein kurzes Nicken.
Jeder wußte, was der andere beabsichtigte.
Ich rannte nach links, mein Freund Suko nach rechts. Nur Thorsten blieb stehen.
***
Er verstand die Welt nicht mehr.
Jan Behnfeld glaubte, einen Alptraum zu erleben. Was er da zu sehen bekam, war unglaublich.
Eine glühende Schnur hatte sich um den Arm seiner Freundin geschlungen. Sie war straff gespannt, und Susanne war es kaum möglich, sich zu befreien. Zudem zog derjenige, der die Schnur hielt und den Jan noch nicht sah, mit großer Kraft daran und wuchtete das junge Mädchen in die Höhe.
Susanne schrie.
Ihr Körper beschrieb einen Halbbogen, als er aus dem weichen Sand gezogen wurde. Mit dem freien Arm schlug sie um sich, und in ihr Schreien hallte das siegessichere Lachen des satanischen Gnoms.
Erst jetzt hatte Jan seine Überraschung verdaut und schnellte in die Höhe.
Er wollte vorstürzen, die Bewegung erstickte schon im Ansatz.
Nun erkannte er sehr deutlich, was da geschehen war.
Ein Wesen, wie er es nur aus Märchen oder Sagen kannte, hielt ein glühendes Lasso in der Hand und hatte seine Freundin gefangen. Es war unwahrscheinlich. Dieser Zwerg besaß Kräfte, die man kaum erklären konnte, denn es gelang Susanne nicht, sich aus der Schlinge zu lösen.
Im Gegenteil, das glühende Band zog sich noch fester um ihren Arm, und sie wurde in den Sand geschleudert.
Der Zwerg bewegte sich gedankenschnell. Es sah aus, als würde er einen Tanz aufführen, doch jede Bewegung besaß ihren Sinn und erfüllte einen gewissen Zweck.
Als Susanne ihren Oberkörper erhob, tat sie dem Zwerg genau den großen Gefallen.
Er bewegte seinen rechten Arm und wickelte das Band blitzartig um die Kehle des Mädchens.
Jetzt hatte er sie ganz.
Da begriff Jan Behnfeld, in welch einer tödlichen Gefahr seine Freundin schwebte.
Sie selbst schrie nicht. Die Atemluft war ihr genommen worden, aber Jan wußte Bescheid. Schließlich hatte er über die Sagen und Legenden etwas gehört, und dort waren die Zwerge stets als unheimlich und tödlich dargestellt worden.
Vor Wut brüllte er auf.
Dann gab es für ihn kein Halten mehr. Hatte er sich vorhin wie in einem Rausch befunden, so war dieser nun restlos verflogen. Er sah alles klar und überdeutlich und ihm war bewußt, daß dieser Gnom Susanne umbrachte, wenn er jetzt nichts tat.
Jan haßte Schlägereien. In diesem Fall kam er nicht daran vorbei.
Mit zwei Sprüngen hatte er den Zwerg erreicht, und er befand sich noch in der Luft, als er schon ausholte. Sein rechtes Bein schnellte vor.
Eine huschende, schattenhafte Bewegung, kaum mit den Augen zu verfolgen, aber ein Tritt, der gezielt war.
Der Schuh donnerte gegen den Schädel des Gnoms. Jan Behnfeld hatte das Gefühl, vor einen Stein getreten zu haben, so hart war der Kopf dieses Monstrums.
Natürlich hatte der Zwerg diesem Aufprall nichts entgegenzusetzen. Er flog in einem Bogen zurück, mehr erreichte Jan nicht.
Sein Gegner ließ das Lasso nicht los.
»Verdammt!« brüllte Jan, raste auf den Gnom zu und trat wuchtig auf seinen Körper.
Fast verschwand der kleine Unhold im Sand. Dennoch erzielte der Junge keinen Erfolg.
Der Zwerg ließ nicht von seiner Absicht. Eisern hielt er die Schlinge fest.
Jan stand vor ihm. Er wußte sekundenlang nicht mehr, was er tun sollte, bis ihm das Taschenmesser einfiel, das er bei sich trug. Er holte es hervor, klappte die Klinge auf und stach zu.
Dabei fiel er dem Zwergenkörper entgegen, traf auch, aber die Klinge rutschte an der Seite ab.
Jan weinte vor Enttäuschung und Wut. Dann drehte er sich, sah die straff gespannte Schlinge und an deren Ende seine Freundin.
Susanne kniete jetzt breitbeinig im Sand. Noch immer umschlang die Schlinge Hals und Arm. Ihr Gesicht war ein heller Fleck, wobei die untere Hälfte vom rötlichen Widerschein der Schnur angeleuchtet wurde und Jan den offenen Mund sah.
Er hörte keinen Atem mehr, brüllte selbst auf und zog die Schneide des Taschenmessers von unten her gegen die Schnur, um sie endlich zu kappen.
Kaum hatte er Kontakt bekommen, als es geschah. Sein Arm wurde von einer ihm völlig unbekannten Kraft in die Höhe geschleudert. Die Berührung des Messers an der Schnur hatte diese Kraft freigelegt, und der Junge
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