0305 - Im Rattentempel
Schlick einsackte, so daß plötzlich nur noch der Kopf und die Brust aus dem Wasser hervorschauten und er sekundenlang in Panik geriet.
Er schaute zurück, und seine Augen befanden sich ungefähr in einer Höhe mit dem Erdboden.
Er entdeckte die Ratten.
Durch seine neue Sichtperspektive sahen sie noch schauriger und unheimlicher aus. Sie glichen schon mordenden Ungeheuern, wie sie sich als graue Masse heranwälzten und kein Hindernis ausließen. Nichts konnte sie aufhalten. Die Ratten waren gierig, brutal und auf der langen Suche nach Blut.
Die Waffe brauchte der Wildhüter nicht über Wasser zu halten.
Sie gehörte zu den Gewehren, die auch schossen, wenn sie feucht geworden waren.
Der Grund des Dschungeltümpels bestand aus Schlamm. Er wirkte wie ein Sumpf und würde, wenn Hakim noch lange zögerte, ihn in die Tiefe zerren.
Er kämpfte sich hoch. Das rechte Bein riß er aus dem Schlamm, das linke folgte unter großen Mühen. Er merkte den Auftrieb des Wassers, verlor den Stand und wurde nach vorn gedrückt. Hilflos paddelte er mit den Armen, hätte sich fast noch den Gewehrlauf selbst ins Gesicht geschlagen und kam erst jetzt auf die Idee, den Rest der Strecke schwimmend zurückzulegen.
Keuchend erreichte er das andere Ufer, wo der Tümpel nicht mehr so tief war. Wurzeln von alten Bäumen wuchsen nicht nur an der Oberfläche, sondern auch sehr nahe an das Ufer heran, so daß Hakim seine Arme ausstrecken und die Wurzeln mit einer Hand umklammern konnte. So zog er sich in einer Schräghaltung aus dem Wasser, denn er hatte gleichzeitig den Kopf gedreht, um nach den Ratten zu schauen.
Die Brut kam.
Unzählige Tiere hatten sich bereits ins Wasser gestürzt. Sie durchkämmten die Fluten, sie schleuderten ihre Körper hoch, paddelten, bewegten sich, brachten das Wasser zum Kochen. Der andere Rest dieser Ratten hatte es vorgezogen, um den Tümpel herumzulaufen.
Sie wollten sich vor dem Wasserloch wieder zu einem Kreis zusammenschließen, um ihr Opfer zu packen.
Hakim war schneller.
Er hatte die Fluten verlassen und schaffte es tatsächlich, wieder auf die Beine zu gelangen.
Jetzt jagte er weiter.
Ziemlich erschöpft, groggy, sauer, die Angst im Nacken und von ihr vorangepeitscht.
Er war selbst naß wie eine Ratte, aber noch steckte in seinem Körper Energie.
Und die setzte er ein.
Seine Beine arbeiteten wie ein Uhrwerk. Das Gesicht war verzerrt, die schwüle Luft empfand er wie Blei, sie wollte kaum seine Lungen durchdringen, und es fiel ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Er durfte nicht aufgeben, die Ratten taten es auch nicht. Abermals schlug der Busch hinter ihm zusammen. Eine grüne, feuchte, stickige Hölle nahm ihn gefangen. Unzählige Fliegen umschwirrten ihn oder setzten sich auf seiner schweißnassen Haut fest. Er spürte die Stiche nicht mehr, ihm war alles egal, er wollte nur überleben.
Hakim stürzte, raffte sich auf, torkelte weiter. Er kam sich vor wie ein gefangenes Tier. Der satte grüne Dschungel, durch dessen Blattwerk nur hin und wieder das Sonnenlicht schien, kam ihm vor wie ein Gefängnis mit kleinen Fensterausschnitten, wobei Helligkeit und Dunkelheit sich schattenhaft tanzend abwechselten.
Viele Äste hingen so tief, daß Hakim sie mit seinem Kopf berührte und die harten Schläge spürte. Die Haut wurde aufgerissen, das Blut rann über sein Gesicht, und er selbst glich in seinem Aussehen schon einer Gestalt aus einem Gruselfilm.
Jeden Augenblick rechnete er damit, die harten Schläge der anspringenden Ratten in seinem Rücken zu spüren und danach die scharfen Zähne, wenn sie in die Haut sägten.
Das geschah nicht. Bisher hatte er seinen Vorsprung halten können.
Hakim besaß nicht die Zeit, sich darüber zu wundern, er mußte zusehen, daß er den Jeep erreichte. Alles andere war zweitrangig.
Trotz seiner Panik lief Hakim den richtigen Weg.
Der Dschungel hellte sich auf.
Sonnenstrahlen huschten wie Tupfer über sein Gesicht, blendeten ihn.
Das Gras peitschte gegen seine Beine und fügte ihm Wunden zu.
Das alles war ihm egal, es interessierte ihn nicht. Er wollte nur das rettende Fahrzeug erreichen.
Und er schaffte es.
In der Weite dieser Grasinsel war der Jeep kaum zu sehen. Erst im letzten Augenblick erkannte Hakim das Fahrzeug und wäre fast noch dagegen gelaufen.
Rutschend stoppte er, wurde von der Wucht seines Laufs zur Seite gedrückt und fiel gegen die rechte Fahrertür. Er drehte sich. Auf den Beinen konnte er sich
Weitere Kostenlose Bücher