0305 - Im Rattentempel
verzerrten Züge, die aufgerissenen Augen, die geisterhaft bleiche Haut – so hatte er sich schon auf dem Maskenball der Monster präsentiert. Und jetzt war er hier. Einen besseren Beweis hätten wir nicht bekommen können.
Auch Mandra hatte ihn gesehen.
Das Gesicht befand sich noch im Schein der Lampe, als der Inder bereits startete. Er schien etwas gutmachen zu wollen, denn mit gewaltigen Sprüngen tauchte er in die Dunkelheit ein und wurde auch von uns nicht mehr gesehen.
Natürlich blieben wir nicht stehen. Wir kannten die Gefährlichkeit des Vampirs, aber auch Mandra Korab war nicht ohne. Nur mußten wir sichergehen.
Unsere kleinen Lampen ließen wir eingeschaltet. Die Lichtfinger tanzten im Rhythmus unserer Bewegungen, zudem schwenkten wir die Lampen und sahen plötzlich die beiden Gestalten.
Beide tauchten im Lichtschein auf und verschwanden ebenso schnell.
Wir hatten uns den Standort merken können.
Ein uns wohlbekanntes wütendes Fauchen drang durch die Finsternis.
Solche Geräusche gaben nur die Vampire von sich. Daß dieses Fauchen kein Triumphschrei war, merkten wir im nächsten Augenblick, als eine schattenhafte Gestalt auf mich zuwirbelte und abermals in den Lichtstrahl geriet.
Diese Art von Bewegungen kannte ich. So torkelte nur jemand, der einen Treffer kassiert hatte, und der Baron war von einem wuchtigen Hieb erwischt worden.
Ich schnellte ihm entgegen.
Mit der Handkante senste ich zu. Bei einem Menschen hätte ich nicht so hart geschlagen, aber der Untote würde den Hieb verdauen. Ich wollte ihn nur am Boden haben.
Das gelang.
Er wurde oberhalb des Kragens getroffen, genau im Nackenansatz, wo seine Haare endeten. Ich hatte gegen eine kalte, beinahe steinharte Haut gedroschen, und der Blutsauger wurde meinem Freund Suko genau vor die Füße geschleudert.
Er war eine sichere Beute.
Bevor sich der Vampir zu einer Gegenreaktion aufraffen konnte, war Suko schon unten. Die Hände krallten sich in der Kleidung fest, und mit einem mächtigen Ruck riß er unseren Gegner in die Höhe, wobei er im Griff des Inspektors hängen blieb.
Baron von Tirano rührte sich nicht mehr. Er wagte es nicht, denn ich leuchtete nicht nur ihn an, sondern auch mein Kreuz, das ich in der rechten Hand ziemlich dicht vor sein Gesicht hielt.
»Aus, Herr Baron«, sagte ich spöttisch. »In Deutschland hast du es geschafft. Hier nicht.« Ich schüttelte den Kopf.
Mandra kam herbei. Neben mir blieb er stehen. Für einen Moment schaute er den Blutsauger an, dann machte er einen Schritt nach vorn und begann damit, unseren Gegner zu durchsuchen.
Mandra tastete ihn mit flinken Fingern ab und schüttelte den Kopf.
»Der Dolch ist nicht da.«
»Wo hast du ihn?« fragte ich.
Von Tirano lachte meckernd.
»Soll dich das Kreuz verbrennen?« fragte ich in sein Lachen hinein.
»Willst du zu Staub werden?« Ich trat noch einen kleinen Schritt vor, um meine Drohung zu unterstreichen.
Der Vampir wand und drehte sich in Sukos Griff. Er versuchte loszukommen, doch der Chinese hielt eisern fest. Noch weiter riß von Tirano seine Augen auf, als ich das Kreuz näher an ihn heranbrachte.
Sein plötzliches Schreien klang schrill wie der Laut einer Sirene, und Mandra Korab fragte jetzt: »Wo befindet sich der Dolch?«
»Ich… habe … ihn nicht!« krächzte der Vampir.
»Wer dann?«
»Sie!«
»Karni-Mata?« fragte der Inder.
»Ja.«
Ich warf einen Blick zur Seite und schaute in Mandras Gesicht.
Sukos Lampenstrahl leuchtete ihn ein wenig an. Die Züge von Mandra Korab waren hart wie Granit. Er schien ein anderer geworden zu sein, und noch einmal stellte er die Frage.
»Wo finden wir sie?«
»Im Tempel!«
»Weiter hinten?«
»Ja, in der zweiten Halle!«
Mandra schaute uns an, nickte und sagte: »Haltet ihn fest, verdammt.«
Dann war er verschwunden.
Wir folgten ihm langsamer. Den Vampir aber nahmen wir mit, denn wir wollten sehen, ob er geblufft hatte…
***
Karni-Mata kämpfte!
Die Rattenkönigin hatte es doch härter erwischt, als sie zugeben wollte. Sie befand sich in einem schrecklichen Zustand. Saft- und kraftlos war sie geworden. Zwar hielt sie noch den Dolch fest, doch sie war nicht mehr in der Lage, den Arm anzuheben, weil die Kraft sie verlassen hatte.
Wieder versuchte sie es. Karni-Mata wußte genau, was sie zu tun hatte. Sie mußte den Griff zerbeißen, damit das Blut wieder in ihren Körper strömte und sie es schlucken konnte.
Würde ihr das gelingen?
Alles war anders geworden. Die Magie der
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