0305 - Im Rattentempel
ich das Gefühl, daß er, obwohl er nur auf eine Person schauen konnte, uns alle drei ansah.
»Was wollt ihr?« Er sprach in einem Dialekt, den nur Mandra Korab verstand.
Der Inder hatte uns den Dialog später übersetzt.
»Dich besuchen«, erwiderte er.
»Ich habe euch nicht eingeladen.«
Mandra nickte. »Das weiß ich. Trotzdem müssen wir mit dir reden, Lakana.«
»Und worüber?«
»Es geht um die Ratten.«
Der Fakir hatte sich vorzüglich in der Gewalt. Er rührte sich nicht, reagierte nicht und schaute uns nur stumm an.
»Ich weiß nichts von Ratten.«
»Da sind wir anderer Meinung«, erklärte Mandra und bedeutete ihm mit einem Fingerwink, sich zu erheben. »Los, steh auf!« fügte er hinzu.
»Niemand kann mich dazu zwingen.«
»Wir schon.« Mandra bückte sich blitzschnell. Seine gesunde rechte Hand umklammerte das magere Gelenk des Mannes. Bevor Lakana sich versah, hatte ihn Mandra in die Höhe gerissen.
Der Fakir stieß einen dünnen Schrei aus, wurde herumgewirbelt und mit dem Rücken gegen die Wand geschleudert. Er verzog das Gesicht und spie aus. Diesmal bewegten sich seine Augen sehr unruhig, da er nach einem Fluchtweg suchte. Aber er fand keinen, weil Suko und ich den Ausgang versperrten.
Mandra baute sich dicht vor ihm auf. »Können wir uns jetzt vernünftig unterhalten?« fragte er.
»Ich weiß nicht, was du willst!«
»Auskunft über die Ratten und über Karni-Mata. Beide gehören zusammen, das weißt du sehr genau.«
»Und?«
»Nichts und! Ich will nur wissen, wie viele Menschen du für diese verdammte Sekte schon gesammelt hast!«
»Welche Sekte?«
»Die Rattensekte, mein Lieber. Hast du gehört?«
»Ja – schon.«
»Rede endlich!«
»Nein«, sagte der Fakir und funkelte uns an. »Geht, ich warne euch! Geht hinaus! Verlaßt dieses Haus, oder die Ratten werden euch vernichten. Ihre Zeit ist angebrochen. Die Rattenkönigin wird erweckt, dafür habe ich immer gelebt. Und nicht umsonst. Niemand wird sich ihr noch in den Weg stellen können, niemand. Habt ihr verstanden?«
Das hatten wir sehr wohl, denn er hatte laut genug gesprochen, aber wir gaben nicht auf. Vor allen Dingen Mandra nicht. Wieder packte er den Fakir, um ihn herumzuschleudern, doch diesmal spielte ihm der dürre Bursche einen Streich.
Bevor Mandra ihn festhalten konnte, kreiselte Lakana herum und wuchtete sein Knie hoch. Mit dieser Reaktion hatte keiner von uns gerechnet, auch Mandra nicht. Deshalb wurde er auch voll in den Magen getroffen und klappte zusammen.
Aus seiner Kehle drang ein gurgelnder Schrei. Er hielt sich die getroffene Stelle, wankte gebückt zurück und geriet so dicht in unsere Nähe, daß er uns den Weg versperrte.
Dies wiederum gab Lakana Zeit zu anderen Aktivitäten, die er auch weidlich ausnutzte, denn er überraschte uns abermals.
Nicht uns griff er an, sondern die Wand. Er hatte beide Arme erhoben, wuchtete sie nach vorn und hämmerte die Handkanten gegen den harten Lehm. Seine Hände waren härter.
Plötzlich brach die Wand ein. Körpergroße Stücke fielen heraus.
Ein Loch entstand, das so groß war, um einen Menschen wie Lakana bequem hindurchzulassen.
Suko flog durch die Luft. Er hatte Mandra zur Seite gedrückt und sich abgestoßen. Bevor Lakana entwischen konnte, packte der Chinese ihn am Knöchel, riß ihn nach hinten und damit auch zu Boden.
Lakana klatschte auf den harten Boden. Mit der Geschmeidigkeit einer Katze rollte er sich herum. Soviel Kraft hätte ich diesem Leichtgewicht nicht zugetraut, aber Fakire sind eben nicht mit anderen Personen zu vergleichen.
Er trat mit dem freien Fuß zu, erwischte Suko an der Stirn, und mein Freund geriet aus dem Konzept.
Dann war ich zur Stelle. Als Lakana wieder hochschnellte, sprang er genau in meinen rechten Haken, der ihn zu Boden schleuderte.
Ausgeschaltet war er noch nicht. Mit Händen und Füßen griff er mich an, und ich kam wieder bei ihm durch. Mein Haken hatte seine Deckung durchbrochen und war an der Stirn als Treffer gelandet. Jetzt schüttelte er den Kopf wie jemand, dem man einen Eimer Wasser darüber gegossen hatte.
Noch einmal setzte ich nach. Den Körpertreffer verdaute er nicht so leicht. Er knickte zusammen. Ich packte sein Handgelenk und drehte es auf den Rücken.
So blieb er in meinem Griff hängen. Es war der berühmte Polizeigriff.
Wenn er sich stark bewegte, würde er sich den Arm brechen, und so etwas überlegte sich auch ein Fakir.
Mandra hatte sich wieder erholt. Nickend schritt er auf Lakana zu
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