0307 - Die letzte Kugel für den Boß
gefragt. Übrigens habe ich ihn seit Wochen nicht mehr gesehen. Schon als er das letzte Mal kam, konnte er nicht bezahlen, und ich wies ihn ab.«
»Heißt er David mit Vornamen?«
Der Händler zuckte nur die Achseln.
»Beschreibe ihn!«
Haibacks Beschreibung war ungenau, und doch gab’s keinen Zweifel daran, das er den gleichen, jungen opiumsüchtigen Mann meinte, der bei mir um das Rauschgift gebettelt hatte.
»Wie sieht Rowfield aus?«
»Er ist ziemlich groß, trägt einen schwarzen Schnurrbart und immer eine dunkle Brille.«
»Auch nachts?«
»Ja, immer. Außerdem habe ich ihn nie zu einer anderen Zeit als nach Einbruch der Dunkelheit gesehen.«
Ich besann mich auf die Rolle, die wir drei zu spielen hatten.
»Okay, Haiback! Wenn Rowfield dich bisher mit diesem Zeug beliefert hat, so wirst du ihm bei deinem nächsten Anruf erklären, dass du neue Lieferanten gefunden hast, nämlich uns. Wir machen dir einen anständigen Preis.«
Ich glaube nicht, dass der Glatzkopf über dieses Angebot sehr glücklich war, aber er wagte nicht den leisesten Widerstand.
»Im Augenblick können wir allerdings noch nicht liefern«, fuhr ich fort, »und wir brauchen selbst ein wenig Stoff, um den Betrieb hier aufrechtzuerhalten. Ich übernehme dein Material, leihweise natürlich. Sobald unser Nachschub angekommen ist, gleichen wir die kleine Differenz aus.«
Haiback erkannte, das er Opium im Wert von rund achthundert Dollar los war, ohne einen Cent dafür zu erhalten.
Ich legte eine Hand auf Richards Schulter.
»Dieser Junge wird dich nach Hause begleiten, Andrew. Wir sind immer dafür, das wir die Leute, mit denen wir arbeiten, genau kennen. Wir halten nichts von Geheimniskrämerei, wie sie dieser angebliche Rowfield betreibt.«
Ich streckte ihm die Hand hin.
Er gab mir seine schlaffe Pfote. Offenbar kapierte er nicht richtig, was mit ihm passiert war, und er knickte fast in sich zusammen, als Richard ihm seine Pranke auf die Schulter legte und mit ihm hinausging.
Wir warteten, bis sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Dann erst berichtete ich Phil, was sich bei der Verfolgung von David Howard zugetragen hatte.
***
Sie kamen gleichzeitig, fünf Männer, die die Treppe hinunterpolterten und sich wie zu einer Saalschlacht im Raum verteilten, einer nach links, zwei nach rechts, und zwei blieben an der Tür.
Wir hatten zehn oder fünfzehn Gäste, die bis zum Eintritt der Männer laut und lustig gewesen waren, aber die Gesichter der aufmarschierten Knaben verdarben ihnen den Spaß. Schlagartig wurde es still.
Einer der Eindringlinge sagte noch laut, aber schneidend scharf: »’raus, wer hier nichts zu suchen hat.«
Ein hastiger Aufbruch setzte ein. Ich stand hinter der Theke, ein zur Hälfte gefülltes Bierglas in der Hand.
»Vergesst nicht, zu zahlen!«, rief ich. Neben mir stand Bob, und wenn sein verbeultes Gesicht auch nicht sehr ausdrucksfähig war, so verriet es doch, dass er sich höchst unbehaglich fühlte. Die Besucher von Sailors Paradise machten sich hastig aus dem Staub. Innerhalb weniger Minuten hatte sich der Laden geleert bis auf die fünf Männer, Phil, Richard und mich. Auf den Tischen lag das Geld, das di,e Gäste bei ihrem überstürzten Aufbruch hingeworfen hatten, aber Bob dachte nicht daran, sich an’s Einsammeln zu machen. Er mochte sich vom Platz an der Theke, hinter die er tauchen konnte, wenn die Luft ungesund werden sollte, nicht trennen.
Ich sah mir die Kerle an. Drei schienen Gangster des üblichen Schlages zu sein, von denen sich die beiden Männer neben der Tür deutlich abhoben. Der Mann, der den Befehl zur Räumung des Lokals gegeben hatte, war ein mittelgroßer Bursche mit einem scharf geschnittenen Gesicht, einer gekrümmten Nase und dunklen Augen. Der andere neben ihm war jung, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, und er besaß ein Gesicht, das so ausdruckslos war wie das eines Kindes; aber etwas Undefinierbares in seiner Haltung und in dem alten Blick seiner Augen verriet, dass er vermutlich gefährlicher war als die übrigen Gorillas zusammen.
Als die Gangster auftauchten, hatte ich mit einem Griff die Schublade aufgezogen, in der wieder die Pistole lag, die Fester hatte benutzen wollen. Außerdem trug ich Slades 42er in der Tasche. Ich sah allem, was unsere Besucher unternehmen würden, unter diesen Umständen gelassen entgegen. Zu meiner Überraschung unternahmen sie nichts. Sie standen wie angetretene Soldaten, die auf das Erscheinen ihres Generals warteten, und -
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