031 - Die blaue Hand
auf die Fensterscheibe gemacht hatte. Die fremde Dame ging auf eine große Limousine zu, die auf der anderen Seite des Platzes wartete. Sie stieg ein, und der Wagen fuhr sofort davon.
Eunice war mehr aufgeregt als erschrocken. Die blaue Hand mußte irgendeine Warnung bedeuten. Nun wußte sie auch, welchen Weg die Fremde genommen hatte. Sie mußte die Haustür benützt und die Treppe hinaufgestiegen sein. Durch die Tür beim Treppenpodest war sie auf die kleine Veranda über dem Eingang und von da auf den Balkon gelangt. Auf dem Rückweg hatte sie die Tür zum Treppenhaus von innen wieder abgeschlossen.
Sollte sie nach unten gehen und Digby Groat alles erzählen? Nein, sie wollte dieses Geheimnis für Jim aufsparen. Mit einem Tuch wischte sie die blaue Farbe von der Fensterscheibe.
Gefühlsmäßig wußte Eunice, daß die fremde Frau ihr wohlwollte. Aber warum wählte sie einen so umständlichen Weg, setzte sich Gefahren aus, um das Zeichen der blauen Hand anzubringen? Warum schrieb sie nicht einfach einen Brief?
Ein anonymer Brief hätte ihr allerdings wenig Eindruck gemacht, überlegte Eunice. Wahrscheinlich hätte sie ihn zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Diese nächtlichen Besuche riefen zweifellos einen stärkeren Eindruck hervor. Trotzdem war es ja gar nicht sicher, daß die Frau, die sie soeben aus dem Haus hatte kommen sehen, die geheimnisvolle Warnerin war. Eunice kannte den Bekanntenkreis Digby Groats nicht, die Dame in Schwarz war vielleicht eine Bekannte von ihm.
Sie legte sich zu Bett. Lange konnte sie nicht einschlafen. Sie verfiel in einen unruhigen Halbschlummer und wachte immer wieder auf. Schließlich stand sie auf und zog die Vorhänge zurück. Das graue Morgenlicht flutete ins Zimmer. Auf der Straße begann schon der Verkehr. Frische, kühle Morgenluft kam durchs Fenster, das Eunice geöffnet hatte. Sie bekam Hunger und besann sich auf die Pralinen, die Digby ihr gestern abend gebracht hatte. Sie packte ein Stück aus der Stanniolhülle und wollte es gerade in den Mund stecken, als ihr das Erlebnis von gestern abend in den Sinn kam. Die Warnung oder was immer es sein mochte, war genau in dem Augenblick erfolgt, als sie eine Praline essen wollte. Sie legte die Schokolade zurück und ging nochmals ins Bett. Sie wollte lieber warten, bis die Dienstboten aufstanden und sie etwas zu essen bekommen konnte.
11
Als Jim Steele an diesem Morgen seine Wohnung verlassen wollte, brachte ihm ein Eilbote ein großes Paket. Er erkannte sofort die Handschrift von Eunice. In seinem Arbeitszimmer öffnete er das Paket. Der beigelegte Brief war in Eile geschrieben worden und berichtete von den Ereignissen der letzten Nacht.
... ich kann mir zwar nicht denken, daß die Warnung etwas mit dem Konfekt zu tun hat, aber irgendwie geht Ihr Vorurteil gegen Digby Groat auf mich über. Ich hatte bisher keinen Grund, ihn zu verdächtigen oder anzunehmen, daß er mir gegenüber schlechte Absichten haben könnte. Wenn ich Ihnen diese Bonbonniere schicke, erfülle ich damit nur Ihren Wunsch, Sie von allen außergewöhnlichen Dingen zu benachrichtigen, die hier vorgehen. Würden Sie so lieb sein, Jim, mich heute abend zum Essen abzuholen? Es ist mein freier Abend, und ich möchte Sie gern sprechen. Ich brenne darauf, Ihnen von der blauen Hand zu erzählen. Ist die Sache nicht furchtbar geheimnisvoll? Ich werde heute nachmittag den versäumten Schlaf nachholen, damit ich abends frisch und munter (und schön!) bin ...
Jim pfiff vor sich hin. Bis jetzt hatte er die blaue Hand für etwas Zufälliges gehalten. Nun bekam sie aber eine neue Bedeutung. Es mußte ein mit Vorbedacht gewähltes Zeichen sein, das irgendwelche Beteiligten oder Betroffenen kennen mußten. Ob Digby Groat es kannte? Nein, Groat war die blaue Hand sicher ebenso geheimnisvoll wie Eunice und ihm selbst. Auf wen sonst aber konnte sich das Zeichen beziehen? Er wollte heute morgen Mr. Salter fragen.
Jim untersuchte die Bonbonniere. Die Pralinen waren sehr schön verpackt, der Name einer bekannten Firma im Westen Londons stand auf der Rückseite des Kartons. Er nahm einige Stücke heraus, legte sie in einen Briefumschlag und steckte ihn in die Tasche.
Als er seine Wohnung abschloß, warf er einen Blick auf die gegenüberliegende Tür, wo Mrs. Fane und die geheimnisvolle Madge Benson wohnten. Die Tür war nur angelehnt, er glaubte von unten die Stimme der Krankenschwester zu hören, die wahrscheinlich mit dem Portier sprach.
Er war im Begriff, die Treppe
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