0311 - Am Todestag von Isabell
Flecken. Das habe ich nur Ihnen zu verdanken.«
»Nun, vielleicht verschaffe ich Ihnen eine kleine Genugtuung, dass ihr Brüderchen ebenfalls heute Nacht im Bon Soir buchstäblich auf den Bauch gefallen ist. Er war das Gelächter des ganzen Lokals.«
»Und seine Wut darüber hat er an mir ausgelassen. Wo war denn sein Liebling zu dieser Zeit?«
»Evelyn hat sich gedrückt, als es anfing, roh zuzugehen.«
»Und ich habe die Prügel dafür bekommen«, beklagte sie sich. »Ich habe keinen Menschen, der mich tröstet und bedauert.«
»Ich bedauere Sie von ganzem Herzen, Eve«, erwiderte ich. »Ich begreife übrigens nicht, warum Sie sich von Ihrem Bruder vertrimmen lassen, ohne sich zu wehren. Wie ich Sie einschätze hätten Sie ihm eine Blumenvase auf seinem Schädel zertrümmern können.«
»Dazu bin ich überhaupt nicht mehr gekommen. Ich lag im Bett, als er hereinkam. Als ich wach wurde, hatte ich bereits ein blaues Auge.«
»Vorläufig meine besten Wünsche. Ich lasse mich gelegentlich einmal wieder bei Ihnen sehen«, versprach ich.
»Bleiben Sie lieber weg, Jerry. Sie sind eine Klatschbase und ein Lügner obendrein. Sie haben Sam viel mehr erzählt, als ich überhaupt gesagt habe.«
Ich wollte nicht mir ihr streiten, denn ich hatte ein schlechtes Gewissen. Ich nahm mir vor, mir diesen brutalen Kerl gelegentlich einmal vorzuknöpfen.
Vor allem wollte ich einmal nachforschen, ob Sam Delory irgendwann und irgendwo schon einmal etwas ausgefressen hatte. Ich gab eine Anweisung an unsere Zentralkartei in Washington durch und stellte Fingerabdrücke in Aussicht. Wie ich an diese kommen wollte, wusste ich nicht. Ich gab Delorys Pistole unseren Fingerabdruckexperten und bat darum, sie zu untersuchen.
Ich hatte Glück. Es fand sich der Abdruck eines Daumens und eines Zeigefingers. Die Fotografien schickte ich per Luftpost nach Washington.
Am Nachmittag kam das versprochene Verzeichnis der besonders auffallenden, früher geraubten Schmuckstücke und eine Liste der bei Lambert Bros, entwendeten Sachen. Mr. Lambert hatte auch eine Skizze der Schmuckstücke beigefügt, die die Komplizin der Räuber getragen hatte.
Alles war gleichzeitig auch zur Veröffentlichung an die Presse gegangen.
Das Autodiebstahlsdezernat hatte festgestellt, dass am gleichen Morgen ein blauer Page in Brooklyn gestohlen worden war. Dieser Page fand sich gegen Abend am Pier 45 in Manhattan wieder.
Da der Besitzer gewohnt war, täglich auf den Kilometerzähler zu sehen, konnte er feststellen, dass der Wagen in der Zwischenzeit mehr als fünfzig Meilen zurückgelegt hatte. Der Benzintank war noch zur Hälfte gefüllt. Fingerabdrücke fanden sich nirgends, aber auf dem Lenkrad waren verschmierte Flecken, die den Schluss zuließen, der Fahrer habe Handschuhe getragen.
Alles das brachte uns der Lösung des Rätsels'um die Juwelen nicht näher.
Wir waren denkbar schlechter Laune. Wir aßen etwas und versuchten uns durch einige Drinks aufzuheitern, aber es gelang uns nicht, und so waren wir beide kurz nach elf in unseren Wohnungen.
Es war ein schöner Abend, deshalb setzte ich mich ans offene Fenster, stellte die Eiswürfel und die Flasche mit Scotch in Reichweite. Dann holte ich das Schachbrett und die Figuren und machte mich daran, eine in der Zeitung gestellte Aufgabe zu lösen.
Ich verbiss mich in diese Aufgabe, konnte aber den Trick nicht finden. Es war halb eins, als ich die Schachfiguren wegpackte und mich zu einem letzten Drink nieder ließ.
»Hilfe!… Hilfe!…« schrillte es von der stillen Straße herauf.
Ich sah durchs Fenster und erblickte eine Frau, die sich verzweifelt gegen die Zudringlichkeit eines Mannes zur Wehr zu setzen schien.
So, wie ich war, auf Pantoffeln und ohne Jacke, raste ich die Treppe hinunter und auf die beiden zu.
Wieder gellte ein Hilfeschrei. Die Frau war in die Knie gesunken. Ihr rotes Haar leuchtete im Licht einer Laterne. Es war ein besonderes Rot, das mir irgendwie bekannt vorkam, ohne dass ich mich im Augenblick erinnern konnte.
Als der Mann meine Schritte hörte, ließ er die Frau los und wendete sich mir zu. In diesem Augenblick fiel mir ein, dass ich die Pistole nicht bei mir hatte, aber die würde ich wohl kaum brauchen.
Erst jetzt bemerkte ich, dass der Kerl ein Tuch vors Gesicht gebunden hatte. Nur seine Augen blitzten tückisch über den Rand.
Dieser Umstand warnte mich. Ich sah den Totschläger in seiner rechten Hand, wich aus und schlug mit voller Kraft zu.
Ich hörte seine Zähne
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