0313 - Im Lager der Löwenmenschen
Schweigen schien sich noch zu vertiefen. Sharett glaubte zu spüren, wie sich die Körper der Gurrads versteiften.
Sharett wußte, daß er den Widerstand der jungen Kämpfer brechen mußte, wenn er nicht das Leben aller Gefangenen aufs Spiel setzen wollte.
„Kommen Sie zu mir, Perrahat!" befahl Sharett.
Clan Perrahat war der Sprecher der jungen Männer. Er besaß großen Einfluß auf die anderen. Er war klein und hager, aber ungemein zäh. Er hatte bei einem Kampf einen Teil seiner Mähne verloren.
Perrahat galt als erbarmungsloser Kämpfer und als ein fanatischer Verfechter der Sache der Gurrads.
Sharett mochte ihn nicht, obwohl er die Erfolge des anderen anerkennen mußte.
„Was wollen Sie?" klang eine unangenehm hohe Stimme aus dem Hintergrund der Hütte.
„Mit Ihnen reden", entgegnete Sharett.
„Dazu brauche ich nicht vor Ihnen zu stehen", sagte Perrahat angriffslustig. „Sagen Sie, was Sie uns zu sagen haben."
Plötzlich fühlte sich Sharett von wildem Zorn gepackt. Seine Müdigkeit war verflogen. Er trug die Verantwortung für dieses Lager, aber anstatt ihn zu unterstützen, betrachteten ihn Männer wie Perrahat als Gegner und intrigierten gegen ihn.
„Kommen Sie zu mir!" sagte der Headman.
Irgend etwas am Klang seiner Stimme veranlaßte den jungen Gurrad zu gehorchen. Sharett hörte, wie jemand in der Dunkelheit rumorte, dann tauchte die zierlich wirkende Gestalt Perrahats vor ihm auf.
Perrahats Gesicht wirkte unnatürlich; die Augen waren schräggestellt, und auf der Stirn zeichneten sich wulstartige Falten ab.
Perrahat stützte eine Hand in die Hüfte, die andere streckte er Sharett entgegen.
Sharett unterdrückte seinen Widerwillen und klatschte mit seiner eigenen Hand gegen die des jungen Mannes. Das war ein uralter Guerillagruß, der gegenseitige Achtung ausdrücken sollte. Sharett befürchtete jedoch, daß Perrahat ihn vor den anderen lächerlich machen wollte.
„Was wollen Sie, Headman?" fragte Perrahat erneut.
„Es gefällt mir nicht, daß Sie geheime Zusammenkünfte abhalten", sagte Sharett. „Das zwingt mich dazu, Ihnen alle Waffen abzunehmen und sie unter Verschluß zu halten."
Clan Perrahats Augen glitzerten. Er konnte nicht stillstehen; seine Füße scharrten unablässig auf dem Boden.
„Wenn der Headman nichts unternimmt, müssen wir etwas tun", sagte er.
Zustimmendes Gemurmel wurde laut.
„Wollen Sie Headman werden, Perrahat?" fragte Sharett spöttisch.
„Wenn Sie zurücktreten", erwiderte der junge Kämpfer.
„Ich könnte zurücktreten", sagte Sharett versonnen. „Aber dann würden Sie dreitausend Gurrads ins Unglück stürzen."
„Wir können nicht unglücklicher werden, als wir schon sind", fauchte Perrahat. „Worauf warten wir noch? Die Perlians werden uns versklaven oder toten. Vielleicht tun sie das mit Ihrer Zustimmung.
Vielleicht hat man Ihnen das Leben versprochen, wenn Sie uns an einem Ausbruchsversuch hindern."
Sharett stand einen Augenblick wie erstarrt. Der ungeheure Vorwurf traf ihn wie ein Schlag. Er hatte nie gedacht, daß der Unwille der Gefangenen bereits soweit angewachsen sein könnte, daß sie so gegen ihren Headman vorgingen.
„Gehen Sie doch!" knurrte Perrahat wütend. „Was wollen Sie noch hier? Niemand hört auf Sie, Sharett. Sie sind nur noch dem Namen nach unser Headman, aber wir werden die Geschicke der Gefangenen bestimmen."
„Ich werde niemals zulassen, daß Männer wie Sie eine unsinnige Revolte anzetteln", sagte Sharett Perrahat lachte verächtlich.
„Sie sind hartnäckig", sagte er. „Vertrauen Sie auf die verrückten Greise in unserer Mitte, die Sie zu Ihren Anhängern zählen könnten?"
„Ich vertraue darauf, daß auch die jungen Kämpfer früh genug merken, daß Sie sie ins Unglück führen werden."
Perrahat zuckte mit den Schultern und wollte sich abwenden. Sharetts Hand schoß vor und packte den Jüngeren an der Schulter. Perrahat zuckte unter der Berührung zusammen. Alle Gespräche innerhalb der Hütte waren verstummt.
„Muß ich Sie verprügeln, um die Waffen zu bekommen?" fragte Sharett bitter. „Wollen Sie es dazu kommen lassen, daß die Gurrads sich untereinander bekämpfen?"
„Ja!" stieß Perrahat hervor und sprang den Headman an.
Der Angriff kam für Sharett so unerwartet, daß er ins Taumeln geriet. Perrahat knurrte bösartig und versuchte, seinen Gegner am Hals zu umfassen. Allmählich wich Sharetts Bestürzung tiefempfundenem Zorn. Er begnügte sich nicht damit, die wütenden Angriffe des
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