0315 - Medusas Schreckensnacht
Dhyarra-Kristall oder den Ju-Ju-Stab?
Nein, der Stab schied nun doch aus. Er wirkte nur gegen Dämonen, aber Gorgonen waren keine Dämonen, weder echte noch nachgemachte.
Zamorra und Nicole waren in die Falle getappt. Zamorra war bereits ein Opfer der Medusa geworden. Die andere Uschi Peters… würde an jenem seltsamen Haus warten, zusammen mit der Rothaarigen. Vielleicht war Jackie ebenfalls eine Medusa?
Dann waren sie wieder zu dritt!
»Wer steckt dahinter?« murmelte Nicole ratlos. »Jemand, der den Tod der Gorgonen rächen will? Oder…?«
Sie wußte es nicht. Es gab keinen Anhaltspunkt.
Schlimm war, daß Zamorras Amulett versagt hatte! Dabei war es in der letzten Zeit doch fast wieder völlig erstarkt und gehorchte seinen Befehlen auch fast immer. Diesmal jedoch hatte es überhaupt nicht reagiert. Es hatte weder auf die Nähe der Schwarzen Magie reagiert noch auf den Angriff! Es war wie ein einfaches, harmloses Stück Metall!
Nicole rechnete sich daher keine Chancen aus, Zamorras und der Medusa Aufenthalt über das Amulett erkennen zu können, zu dem sie ja auch eine besondere Beziehung hatte. Wenn sie die Medusa verfolgen wollte, mußte sie es anders anfangen.
Mit dem Dhyarra-Kristall? Nein. Den konnte nur Zamorra benutzen. Ihre, Nicoles, Parakräfte reichten dazu nicht aus. Mit dem Ju-Ju-Stab? Der war kein Peilinstrument, sondern eine Vernichtungswaffe.
Blieb nur die Möglichkeit, eine Lampe zu nehmen und in das Dickicht seitlich neben der Straße einzudringen. Aber wie dann die Medusa ausschalten?
Perseus, der Held der Antike, sollte es mit einem spiegelnd blank polierten Schild versucht haben; als die Medusa sich darin selbst erblickte, versteinerte sie anstelle des Helden. Auch in der Gegenwart hatte sich dieses Verfahren als nützlich erwiesen. Aber woher einen Spiegel nehmen? Der Mercedes verfügte über deren mehrere, aber sie konnte doch nicht einfach den Wagen auseinandernehmen – abgesehen davon, daß es ihr an Werkzeug fehlte!
Blieb die spiegelnde Sonnenbrille. Damit ließ sich allerdings in der Nacht nichts sehen, und außerdem lag sie im Gepäck im Motel.
War also auch nichts. Nicole ballte die Fäuste. Gab es denn absolut keine Möglichkeit, etwas zu unternehmen? Wahrscheinlich konnte sie nur zurückfahren und versuchen, weitere Hilfe zu holen, oder sich besser auf das Unternehmen vorzubereiten. Ob damit allerdings Zamorra geholfen werden konnte, war eine andere Frage. Er war schon einmal durch den Einfluß einer Gorgone versteinert worden. Damals war es Merlin gewesen, der ihn davon geheilt hatte, aber es würde kein zweites Mal möglich sein. Hatte es also überhaupt noch Sinn, der Peters-Medusa hinterherlaufen zu wollen?
»Nein…«
»Ja… alles hat seinen Sinn …«
Zwei widerstreitende Gefühle tobten in Nicole. Sie bückte sich, hob die Handtasche vom Boden auf, die sie einfach fallengelassen hatte, und fühlte das rote Kleid an sich herunterrutschen. Die Nähte hatten gehalten – bloß der Stoff war hier und da gerissen, und nun fehlte der ganzen Sache der Halt, so daß Nicole binnen Sekunden im Spitzenhöschen dastand. Mit einer Verwünschung zog sie den roten Fetzen wieder hoch, der der Beanspruchung durch die hastigen Bewegungen nicht standgehalten hatte, und kletterte hinter das Lenkrad des Wagens.
Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen. Die ganze Zeit über hatte Zamorra auf diesen Augenblick gewartet – und nun konnte er ihn nicht mehr genießen. Und so, wie es aussah, würde er wohl überhaupt nichts mehr genießen können.
Nicole preßte die Lippen zusammen. Was sollte sie tun?
Es fiel ihr schwer, den Anlasser zu betätigen, den schweren Wagen zu wenden und zum Motel zurückzurollen.
Die Zeiger der Uhr rückten auf Mitternacht zu.
***
Die Monica-Medusa war schwer angeschlagen. Das geweihte Silber machte ihrem gespiegelten, unechten Scheinkörper mehr zu schaffen, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Zunächst waren die Geschosse nur in den Scheinkörper eingeschlagen und steckengeblieben. Jetzt aber, nach einigen Minuten, begann das Silber seine reinigende und zersetzende Kraft zu entfalten. Die Medusa brannte innerlich lichterloh. Und sie wußte, daß ihre Existenz nur noch eine Frage von Minuten war.
Sie bedauerte es nicht. Sie war kein Leben im eigentlichen Sinne.
Sie war nur etwas Gespiegeltes, ein farbiger, verfestigter Schatten in der Welt, der vergehen würde, wie er entstanden war.
Sie bedauerte nur, daß sie einen Fehler begangen
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