0315 - Medusas Schreckensnacht
hatte. Sie hätte auf Zamorras Provokation anders reagieren sollen, nicht mit dem Angriff. Nun war es zu früh gewesen. Der Auftrag lautete, Zamorra in den Bungalow zu locken und sich erst dann zu enttarnen, wenn er Leon gegenüber stand. Sie aber hatte sich viel zu früh zu einem Angriff hinreißen lassen.
So hatte sie fliehen müssen. Nicole Duval wußte jetzt Bescheid. Sie würde sich nicht mehr in dieser Falle verfangen. Der Herrscher würde sich für sie doch etwas anderes einfallen lassen müssen.
Die Medusa wankte weiter, zerrte Zamorra mit sich. Aber der Bungalow Leons war noch so weit entfernt, so weit… und sie wußte, daß sie es nicht mehr schaffte. Sie wußte auch nicht, ob ihr gedanklicher Hilferuf noch sein Ziel erreichte.
Irgendwann sank sie zusammen, schon weit jenseits des Wäldchens, jenseits des Dickichts an der Straße. In der Dunkelheit der Nacht zerfiel der Körper und wurde wieder zu dem Nichts, aus dem er entstanden war.
Nichts blieb von ihm übrig, kein Mensch, keine Schlange.
Da lag nur ein Mann im weißen Anzug mitten im Gras und rührte sich nicht mehr…
***
Die Braunhaarige hatte den Chevrolet direkt vor dem Haus geparkt, in dem sich ihre Wohnung befand. Jetzt, kurz vor Mitternacht, bewegten sich hier kaum Menschen auf den Straßen. Uschi Peters huschte in den Hauseingang. Die Braune schloß auf und führte ihre Anhalterin nach oben in die Wohnung.
Uschi ließ sich einfach in einen Sessel fallen. Sie war erschöpft und nahezu am Ende ihrer Kräfte.
»Warte, ich hole dir ein paar Sachen«, sagte die Braune und verschwand im Nebenraum.
Plötzlich erstarrte sie.
Da war etwas in ihren Gedanken, das ihr sagte: dieses blonde Mädchen wird gesucht. Leon will es haben. Es ist aus der Gefangenschaft entwichen und muß unbedingt hierher zurück.
Klar und deutlich stand das Abbild der Telepathin vor dem inneren Auge der Braunhaarigen. Und sie wußte, daß sie das gesuchte Mädchen bei sich in der Wohnung hatte!
Der Gedanke schob sich immer stärker in den Vordergrund, dieses Wissen, das Leon ihr aus der Ferne zukommen ließ. Die Hypnose wirkte noch immer. Die Braunhaarige hatte keine Möglichkeit, sich aus dem Bann zu befreien.
An der Oberfläche ihres Bewußtseins bemerkte sie es nicht. Ruhig nahm sie ein T-Shirt und eine Hose aus dem Schrank und dachte nur daran, daß das eigentlich ausreichen würde. Uschi Peters würde die Sachen ja ohnehin nur tragen, bis sie ihr Bungalow-Appartement in »Mary’s Motel« erreicht hatte, und sie dann zurückgeben. Wozu also die Blonde voll ausstaffieren!
Sie legte die Sachen neben Uschi auf den niedrigen Wohnzimmertisch. »Etwas zu trinken?«
»Oh, verflixt, gern«, stieß Uschi hervor. Jetzt, da die Braune sie daran erinnerte, kam der Durst stärker denn je zurück. »Egal, was es ist…«
»Ich hole eine Flasche Saft aus der Kühlung«, versprach die Braune und verließ das Zimmer. Sie brachte die Flasche und ein Glas und ließ Uschi damit wieder allein. Uschi fiel förmlich über das Getränk her, trank in großen, durstigen Schlucken.
Währenddessen benutzte die Braunhaarige das Telefon. Sie wählte eine Nummer, die laut Fernsprechvermittlung und Auskunft gar nicht existierte. In einem Bungalow weit draußen vor der Stadt klingelte das Gerät.
Parker hob ab, weil Leon selbst keine Zeit für derlei Kleinigkeiten hatte.
»Das gesuchte Mädchen ist bei mir«, flüsterte die Hypnotisierte und nannte ihren Namen und ihre Adresse.
»Danke«, bequemte sich Parker höflich zu sagen, legte auf und unterrichtete Leon. Und Leon reagierte.
Ein Schatten huschte lautlos durch die Nacht und bewegte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit gen Bisbee…
***
Nicole kehrte zum Bungalow zurück. Sie fragte sich, ob Mary eigentlich jemals schlief. Die Motelbesitzerin schaute durch das große Glasfenster aufmerksam herüber. Nicole klemmte den Kleiderfetzen so gut es ging zwischen den Schultern fest, huschte zum Bungalow-Appartement und verschwand darin. Sie schlüpfte in einen schwarzen Overall, in dem sie sich weitaus besser bewegen konnte als in dem Disco-Fummel.
Sie bedauerte, daß sie das Appartement der Zwillinge nicht betreten und durchsuchen konnte. Sie hegte die schwache Hoffnung, daß dort Anhaltspunkte auf den Drahtzieher der gesamten Aktion zu finden waren. Denn immerhin mußten die beiden Mädchen sich auch nach ihrer Umwandlung wenigstens für kurze Zeit hier aufgehalten haben.
Aber da war nichts zu machen. Mary um den Schlüssel zu
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