0316 - Der Sprung ins Verderben
Ras - wenn es Ras war hielt sich genau zwischen dem Schiff und der Sonne auf.
Hitze... nicht aushalten... werde Schluß machen...
„Du bleibst hier!" entschied Gucky schnell, zu Jumpy gewandt. „Du achtest auf die Impulse. Ich springe vor. Ich muß Ras finden, ehe er unüberlegt handelt und den Helm öffnet. Er kann nicht weit sein, denn hätte er die Fünfundzwanzig-Millionen-Grenze erreicht, lebte er nicht mehr. In wenigen Minuten habe ich ihn."
Ehe Jumpy antworten konnte, entmaterialisierte er.
*
Ras Tschubai war am Ende seiner Kräfte und am Ende seiner Hoffnung.
Die Temperatur im Innern seines Anzugs war angestiegen. Er konnte nicht teleportieren, was aber nicht allein an den magnetischen Strömen lag, die ihn immer wieder packten und aus der Bahn schleuderten. Er mußte seine Fähigkeit zum Teil eingebüßt haben, als er durch den HÜ-Schirm in die fünfte Dimension geschleudert wurde. Sie würde zurückkehren, wenn er lange genug lebte. Aber im Augenblick sah es nicht danach aus.
Er näherte sich schnell der Todesgrenze, denn, auf Sol geeicht, würde der Anzug fünfundzwanzig Millionen Kilometer von der Sonne entfernt seine Schutzeigenschaften einbüßen. Vielleicht noch drei oder vier Millionen Kilometer, dann war es soweit.
Ras schaltete noch einmal das Radio ein, aber die Störungen überlagerten alles andere. Selbst wenn es Funkverkehr in der Nähe gab, so würde er nichts empfangen können.
So eine Hitze, dachte er verzweifelt. Das kann ich nicht aushalten. Ich werde doch Schluß machen, bevor ich ersticke. Noch fünf Minuten...
Die Sonne war eine riesige Scheibe mit unregelmäßigem Rand. Er war an vielen Stellen eingebuchtet. An anderen wieder schien er eruptieren zu wollen, denn gewaltige Feuersäulen schossen in den Raum hinaus, verteilten sich und kehrten in Form gigantischer Tropfen wieder zur Sonne zurück.
Die Sonne hat alles Leben geboren - und sie nimmt es sich auch wieder zurück, dachte Ras. Seine Unsterblichkeit hatte ihn nicht dazu verleitet, den Glauben an Gott zu verlieren. Kein denkendes Wesen konnte ohne einen solchen Glauben existieren, wenn es das Universum so erlebt hatte wie Ras Tschubai. Die als atheistisch verrufenen Naturwissenschaftler hatten Gott den Menschen nähergebracht. Gott war zum Freund des Menschen geworden, seit er nicht mehr der angebliche Rächer ihrer kleinen Sünden war.
Nur das war gleichgeblieben: man entsann sich seiner Freunde meist erst dann, wenn man sie brauchte.
„Mein Gott", murmelte Ras mit trockenen Lippen. „Nun ist es soweit... das Ende!"
Er hatte sich gedreht, um nicht immer die flammende Sonne sehen zu müssen. Sein Blick suchte die Grenzen des sichtbaren Universums, aber es wurde von den davorstehenden Sternen verdeckt. Und zwischen diesen Sternen bewegte sich einer, unmerklich fast...
Ras rührte sich nicht, aber er versuchte, den Stern wiederzufinden, der sich bewegt hatte. Es konnte keine Täuschung gewesen sein. Er hatte es deutlich gesehen. Vielleicht war es nur ein Kleinplanet.
Aber dafür war er eigentlich zu hell gewesen.
Ein Schiff...?
Es war mit Sicherheit anzunehmen, daß man ihn vermißte und suchte. Aber nur ein Verrückter würde ihn ausgerechnet hier in der Nähe der Sonne suchen. Ein Verrückter - oder ein guter Mathematiker und Astronom.
Die jähe Hoffnung, die ihn mit neuem Mut belebte. ließ ihn die Hitze vergessen, die ihn fast zur Verzweiflungstat getrieben hätte. Er schaltete sein Radio wieder ein. Wenn ganz in der Nähe ein Sender arbeitete, wurde er die Sonnenstörungen überlagern. Auf geringe Entfernung mußte eine Verständigung möglich sein.
Er hörte nichts und schaltete um auf Senden.
„Hier Ras Tschubai! Ich treibe auf die Sonne zu und bin verloren Position sechsundzwanzig Millionen aus Richtung Darks III. Noch zehn Minuten. Erbitte Antwort."
Er schaltete um.
Sofort mußte er die Lautstärke regeln, denn die Störungen drohten, seine Trommelfelle zerplatzen zu lassen. Und dann kam die Stimme, überlaut und scheinbar ganz nah.
Eine Stimme, die Ras kannte: „Brüll nicht so, -schwarzer Krieger! Bin ja schon da..."
Wenn Ras später gefragt wurde, was er empfunden hatte, als er Guckys Stimme in dieser verzweifelten Lage hörte, wußte er niemals eine exakte Antwort. Es waren so viele Gefühle auf einmal gewesen, daß es einfach unmöglich war, sie zu beschreiben oder gar aufzuzählen. Er wußte nur, daß es eine ungeheure Erleichterung war, die ihn plötzlich überkam und
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