0319 - Götzenbrut
gezeichnet. Der Schrecken hatte seine Spuren in ihm hinterlassen. Und nicht nur innerhalb der Augen, auch auf der Haut. Wenn ein Mensch grau vor Angst werden kann, so traf dieses bei Claudia haarscharf zu.
Der Blick war weiterhin unstet geblieben, die Lippen zitterten, ihre Nasenflügel bebten, und die Angst war wie ein Brunnen, der aus der Tiefe seine Fontänen hochschoß.
Mit den Händen klammerte sich Claudia an der Sitzlehne fest, während sie flüsterte: »Die Spinnen geben nicht auf.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Und wenn Sie uns erwischen?«
»Noch haben Sie uns nicht.«
Claudia drehte sich wieder um. In den folgenden Sekunden schwieg sie und schaute nur auf den schmalen Weg, der leicht anstieg und zur Paßhöhe hochführte.
Dann sagte sie etwas völlig normales, das Suko aber in diesen Augenblicken einen Schock versetzte.
»Wie lange reicht das Benzin noch?«
Daran hatte der Inspektor nicht mehr gedacht. Er schüttelte im ersten Moment den Kopf, schaute auf den Tankanzeiger und wurde ein wenig blaß um die Nase.
»Nun ja…«
»Wie lange, Suko?«
»Er steht schon fast unten.«
Die junge Engländerin schwieg. Andere hätten vielleicht geschrien, sie hielt sich tapfer, denn sie hatte mittlerweile soviel hinter sich, daß sie diese Neuigkeit auch nicht mehr erschüttern konnte.
Suko mußte sich auf das Fahren konzentrieren. Er sprach auch nicht mehr über den Sprit, sondern erkundigte sich nach den Spinnen.
Claudia drehte sich um. »Sie sind noch da.«
»Holen Sie auf?«
»Leider.«
»Sind Sie sicher?«
»Ich glaube es.«
Eine weitere Antwort konnte sie nicht geben, denn Suko war mit dem Fiat ziemlich schnell in eine enge Kurve gefahren. Von dieser Stelle aus führte der Weg direkt dem Paß entgegen und damit der höchsten Stelle dieses unwirtlichen Berglandes zu.
Sie würden bald den Fleck erreichen, wo Suko zum erstenmal auf eine weiße Monsterspinne getroffen war und sie getötet hatte.
Claudia sagte nichts mehr. Sie saß angeschnallt auf dem Beifahrersitz.
Die Hände hatte sie in den Schoß gelegt und dort zusammengekrallt.
Starr schaute sie nach vorn.
Durch das Türloch im Fond des Wagens strömte kalte Luft. Sie erfaßte auch die langen Haare der Frau und spielte mit ihnen.
Der Untergrund war schlechter geworden. Steine bedeckten ihn.
Manchmal, wenn Suko nicht durch einen Schlenker ausweichen konnte, hüpfte der Fiat über die Unebenheiten, und die beiden Menschen stießen sich am Wagenhimmel die Köpfe.
Rauhe und wuchtige Felsen grenzten den Weg jetzt zu beiden Seiten hin ab. Sie stiegen schroff in die Höhe, Kanten sprangen vor, die manchmal aussahen wie die Gesichter von Menschen.
Und es gab die Höhlen.
Suko und Claudia sahen die dunklen Löcher, die der Inspektor zusätzlich beobachtete, denn er hatte nicht vergessen, daß aus einer der Höhlen die Spinne gekrochen war.
»Da!«
Claudia hatte den Schrei ausgestoßen. Gleichzeitig fing sie an zu zittern, denn sie hatte an der rechten Felswand eine Höhle entdeckt, deren Ausgang von einem weißen Spinnenmonstrum besetzt war.
Noch mußten sie vorbei, doch wenn die Spinne sich fallen ließ, dann…
Suko gab noch mehr Gas.
Der Fiat bäumte sich auf wie ein Pferd. Er machte einen regelrechten Satz nach vorn, drückte sich in ein Schlagloch hinein, an der anderen Seite wieder heraus und hatte die Spinne passiert.
Sie tat nichts.
Auch als Claudia sich umdrehte und zurückschaute, sah sie das Ungeheuer auf acht Beinen noch immer vor der Höhle sitzen. Der Frau fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen.
»Sie ist nicht gesprungen«, flüsterte sie.
Suko hob die Schultern. »Daß wir noch einige dieser Tierchen sehen werden, daran müssen wir uns gewöhnen.«
»Das kann ich nur so schlecht.«
Der Inspektor lachte. »Ich auch nicht.«
»Und wie lange müssen wir noch fahren?«
Claudia hatte eine berechtigte Frage gestellt, auf die Suko sofort keine Antwort wußte. Er schaute sich die Gegend noch einmal an und rechnete nach, wie lange er ungefähr gelaufen war. Das konnte man nicht miteinander vergleichen.
»Ich weiß es nicht.«
»Haben wir denn die Paßhöhe geschafft?«
»Gleich.«
Sie erreichten sie in wenigen Minuten. Da hatte Suko nicht gelogen.
Kaum waren sie oben, als der Motor stotterte.
»Das Benzin!« hauchte Claudia.
Suko nickte verbissen. Er konnte keinen Sprit herbeizaubern, spielte mit dem Gaspedal, fluchte sogar, aber der Wagen wurde ständig langsamer.
Dann stand er.
Es hatte keinen Sinn mehr,
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