0319 - Götzenbrut
zu versuchen, ihn wieder zu starten, denn es gab nur eine Möglichkeit. Suko sprach sie auch mit einem Wort aus.
»Raus!«
Er stieß die Fahrertür früher auf als die Frau, zog sofort seine Beretta und drehte sich auf der Stelle, wobei er die unmittelbare Umgebung mit seinen Blicken abtastete.
Kälte lag in der Luft. Die Felshänge stachen neben dem Weg nicht mehr so steil in die Höhe, sondern waren flacher geworden. Der Wind bekam freie Bahn, blies über das schroffe Gestein und putzte es blank.
Die Sicht war relativ gut, weil sie nicht von Bäumen versperrt wurde.
Hier oben gediehen nur Bodengewächse, die sich wie mit Fingern in den harten Fels klammerten.
Auch Claudia war ausgestiegen. Furchtsam schaute sie zurück.
Dabei stand sie in einer gespannten Haltung und hatte ihre rechte Hand auf das Dach des Fiats gelegt.
»Kommen Sie!« rief Suko ihr zu und winkte gleichzeitig ausholend.
»Wir müssen weiter.«
Sie nickte, während Suko einen Blick auf ihre Schuhe warf.
Zum Glück trug sie festes Schuhwerk, wenn es auch nicht gerade für Klettertouren geeignet war. Wer hatte das zuvor schon wissen können?
Sukos Füße wurden von Turnschuhen umspannt. Eine Mischung aus Leder und Leinen mit einer geriffelten Sohle versehen.
Der Chinese nahm die Frau bei der Hand. Er tat dies bewußt, denn diese Geste hatte auch etwas Beschützendes an sich. Claudia fror.
Ein Schauer nach dem anderen rann über ihr Gesicht, und Suko fragte, ob er ihr seine Jacke geben sollte.
Sie lehnte ab.
Sie liefen weiter den Weg entlang. Der Fiat blieb hinter ihnen zurück, aber sie wußten, daß sie nicht schneller sein konnten als ein fahrender Wagen, auch wenn der Weg nun bergab führte und erst an den Steilklippen endete.
Claudia sprach nicht mehr über die weißen Monsterspinnen, doch die Angst vor ihnen stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
Auch Suko verspürte so etwas wie Furcht. Er hatte erlebt, wie schnell diese Spinnen sich bewegten, wie sie plötzlich losrennen konnten und längere Strecken in relativ kurzer Zeit überwanden.
Immer wenn Claudia einen Blick über die Schulter werfen wollte, zwang Suko sie mit barschen Worten, nach vorn zu schauen. »Dort spielt die Musik.«
Er meinte auch damit das Meer, das sie bereits sehen konnten. In der Ferne lag diese graue, manchmal auch grünlich schimmernde Fläche, die, je mehr sie dem Horizont entgegenführt, immer runder zu werden schien, um am Schnittpunkt mit ihm zu verwachsen.
Die Fläche war nie ruhig. Sie bewegte sich, und Schaumkronen rollten auf das Ufer zu.
Ein Schiff war nicht zu sehen. Auch keines, das die normalen Handelsrouten befuhr.
So blieb das Meer glatt, und war gleichzeitig für die beiden Flüchtlinge eine Hoffnung.
Noch konnten sie normal laufen. Wäre Suko allein gewesen, er hätte mehr Tempo gemacht, so aber mußte er auf seine Begleiterin Rücksicht nehmen, zudem benötigten beide noch viel Kraft, um die steilen Klippen überwinden zu können.
Suko hoffte darauf, daß Claudia ihm da nicht schlappmachte.
Sehr bald schon deutete sich die Nähe der Klippen an, denn das Gelände fiel steil ab. Der Boden war mit einer dünnen Moosschicht bewachsen und deshalb glitschig.
»Passen Sie auf!« warnte der Inspektor.
Claudia nickte nur.
Manchmal stützte sie sich auch an großen, bizarr geformten Felsbrocken ab, wenn sie plötzlich zu schnell wurden.
Auf einmal waren sie da.
Claudia Darwood erschrak, denn der Weg hörte vor ihnen auf. Sie standen am Rand der Klippen.
Schweratmend hielt Claudia inne. Sie preßte sich dabei gegen Suko, weil sie Angst davor hatte, allein in die Tiefe schauen zu müssen. »Und da sollen wir runter?« fragte sie.
»Es gibt keine andere Möglichkeit.«
Claudia schluckte. Sie biß auf ihre Unterlippe und sah ein Bild, das ihr Angst machte.
Das Meer schäumte gegen die Felsen, wobei gewaltige Gischtfontänen in die Höhe stoben, sich überdrehten und wie breite Wasserfälle wieder nach unten in das Meer zurückschossen.
Claudia fürchtete sich. »Gibt es überhaupt eine Stelle, wo wir nach unten klettern können.«
»Ich bin auch hochgekommen«, erwiderte Suko optimistisch.
»Ein schwacher Trost.«
Suko blieb nicht mehr stehen. Er überlegte, wo genau die Stelle war, an der er die Felsen überwunden hatte. Wenn ihn nicht alles täuschte, mußten sie weiter nach rechts gehen.
»Kommen Sie mit, Claudia.« Der Inspektor zog sie kurzerhand weiter, so daß Claudia von ihren eigenen Gedanken ein wenig abgelenkt
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