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0319 - Götzenbrut

0319 - Götzenbrut

Titel: 0319 - Götzenbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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fragte Claudia ängstlich.
    »Beten, Mädchen, nur noch beten…«
    ***
    Ich hatte den Dolch nicht aus der Hand geben wollen. Irgendwann gibt es auch bei mir einen Punkt, wo ich nicht mehr mitspiele und mir im Prinzip alles egal ist.
    Dieser Punkt oder diese Grenze war erreicht, als ich mich auf Okastra stürzte.
    Es dauerte nur mehr eine Sekunde, vielleicht noch weniger, aber in dieser kurzen Zeitspanne änderte sich mein Leben.
    Ich wurde zu einem Geist.
    Ich konnte denken, überlegen, die richtigen Schlüsse ziehen, aber ich besaß keinen Körper mehr. Ich schwebte irgendwo in einem Zwischenreich, in einer Dimension, in der die physikalischen Gesetze aufgehoben waren. Möglicherweise klopfte ich an das Tor zum Jenseits an.
    Es war erfreulich und gleichzeitig auch erschreckend, daß mein Denkapparat noch funktionierte. Erschreckend deshalb, weil ich mir über meine eigene Situation und die Chancenlosigkeit im klaren war.
    In der Tat, ich war chancenlos.
    Ich trat um mich, das heißt, ich nahm es an, dies zu tun, doch es gab keinen Widerstand.
    Den brauchte ein Geist nicht.
    Als ich damit einigermaßen klargekommen war und ich mich daran gewöhnt hatte, nur mehr feinstofflich zu sein, begann ich, der Geist John Sinclair, zu denken.
    Vielleicht fand ich einen Körper, in den ich hineinstoßen konnte.
    Aber wer sagte mir, daß es ein Körper sein würde, der in meiner Zeit existiert hatte?
    Und wo befand sich mein eigener Körper?
    Darüber nachzudenken, fiel mir ungeheuer schwer. Als Mensch hätte ich vielleicht eine Gänsehaut und das große Zittern bekommen, bei einem feinstofflichen Wesen waren diese Reaktionen nicht festzustellen.
    Existierte ich als John Sinclair überhaupt noch? Oder hatte sich einfach alles aufgelöst, was meine frühere Existenz bedeutet hatte?
    Daran nur dachte ich, während ich in einer Dimension schwebte, die mit dem Verstand nicht erfassen konnte. Automatisch kam mir in den Sinn, im Reich der Toten zu sein. Irgendwo in der anderen Sphäre, über die zahlreiche Autoren geschrieben haben, die mit Menschen, die aus dem Jenseits zurückgekehrt waren, gesprochen hatten.
    Doch die hatten von einem Licht gesprochen und von längst verstorbenen Freunden, die sie im Jenseits erwarteten.
    Ich sah weder das Licht noch meine Freunde. Es gab keine Helligkeit und auch keine Dunkelheit.
    Um mich herum war alles grau. Diffus grau, nicht klar, wie von einem Nebel überspült, durch den hin und wieder geisterhaft weiße Streifen oder Fetzen strichen.
    Ich war eingegangen in ein Nichts, das ich aber nicht mit der »Leere« des Alls vergleichen konnte.
    Und so ließ ich mich treiben, wobei ich krampfhaft versuchte, Gefühle und Stimmungen wie ein Seismograph die Erdbebenwellen in mich aufzunehmen. Ich wollte wissen, erkennen und vielleicht eine Lösung finden.
    Manchmal hörte ich ein Rauschen, dann wiederum war es bedrückend still um mich.
    Hin und wieder kam ich mir eingesperrt vor, anschließend wie in einem Gefängnis.
    Okastra, die Spinnen, der unheimliche Berg, das alles lag so schrecklich weit weg. Mochte es auch noch so schlimm gewesen sein, dies hier übertraf alles.
    Denn Okastra und seine grausamen Helfer waren real gewesen.
    Den Geist und dessen gespenstische Welt als Realität zu bezeichnen, wollte mir einfach nicht in den Sinn.
    Und so trieb ich weiter. Den Begriff Zeit gab es nicht mehr. All die physikalischen Erfahrungen und Gesetze, die auf der Erde ihre Gültigkeit besaßen, waren in diesem Fall radikal aufgelöst worden.
    Mich hielt das Nirwana fest.
    Keine Kälte, keine Wärme, weder schwitzen noch frieren. Es gab nichts, das Gefühle anzeigte, und es kam der Zeitpunkt, wo ich nicht allein die mich umgebende Leere verspürte, sondern auch eine Innere.
    Die seelische Verlassenheit.
    Das war am schlimmsten.
    Sie führte zu Depressionen, die auch mich nicht verschonten. Wie ein Mensch spürte ich sie, obwohl ich keinen Körper mehr besaß, wenigstens keinen sichtbaren.
    Mein eigenes Ich sagte mir, daß alles egal war, daß ich mich treiben lassen sollte, daß alles zu Ende war, daß es nichts mehr gab, für das ich eintreten konnte.
    Freunde, Freude, Angst, Trauer, es war alles so nebensächlich geworden und wurde auch nicht von dem Großen Gefühl ausgeglichen, das vielleicht die Geister der Toten spüren, wenn sie die Schwelle zum Jenseits überschritten hatten.
    Ich befand mich ganz woanders.
    Manchmal hatte ich das Bedürfnis, weinen zu müssen, dann wiederum wollte ich mich in eine

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