0319 - Götzenbrut
anzuschauen, bis schließlich einer vortrat, sich mir auf drei Schritte näherte und sich vor meinen Füßen auf die Knie warf.
Ich schaute auf seinen Rücken.
Eine Weile geschah nichts, nur der aufgewirbelte Staub senkte sich langsam dem Boden entgegen. Der Mann wartete wohl darauf, daß ich etwas sagte.
»Steh auf!« Meine Stimme klang rauh. In der Kehle kratzte es. Ich hatte einfach zuviel Staub geschluckt.
Der Mann gehorchte mir.
Er drückte sich hoch, blieb aber in einer demutsvollen Haltung stehen und schaffte es nicht, mir in die Augen zu schauen. »Wirst du uns jetzt töten, Torkan?« fragte er.
»Weshalb sollte ich es?«
»Weil wir ihr gehorcht haben.«
»Der Königin?«
»Ja, sie hat dir den Trank gegeben. Sie wollte, daß du stirbst, und du bist gestorben, aber du bist wieder ins Leben zurückgekehrt. Wir können es uns nicht erklären. Welcher große Geist steht auf deiner Seite und hilft dir?«
Darauf wußte ich keine Antwort. Ich hätte sie ihm auch nicht gegeben, sondern fragte weiter. »Wo solltet ihr mich, den Toten, hinbringen?«
»Das weißt du nicht?«
»Sonst hätte ich dich nicht gefragt.«
»Du solltest zu Baal und auf dem Altar des Götzen sterben. Dort, wo die Gebeine seiner Feinde in der heißen Sonne bleichen, war auch dein Platz vorgesehen. Die Leichenvögel warten schon auf dich.«
»Welche Leichenvögel?«
»Du kennst sie nicht?«
»Ich habe sie nie gesehen.«
Der Mann hob die Schultern. Dabei wischte er sich über das Gesicht.
»Aber du mußt sie gesehen haben. Baals Leichenvögel sind immer da, wenn der Götze es will. Die Götzenbrut beherrscht dieses Land. Sie sind Aasfresser und laben sich an Baals Feinden.«
»Dann wolltet ihr mich auf den Altar legen, um mich den Leichenvögeln zum Fraß vorzuwerfen?« fragte ich drohend und legte meine rechte Hand auf den Schwertgriff.
Der Sprecher wich zurück. Auch die anderen fünf zuckten zusammen.
Sie begannen zu jammern und sprachen davon, daß sie sich nicht weigern konnten, da die Leichenvögel sie sonst selbst gefressen hätten.
»Wir sind nur unbedeutende Diener und müssen tun, was man von uns verlangt. Bitte, Torkan, töte uns nicht! Laß dein Schwert stecken, wir werden alles tun, um dir unsere Treue zu beweisen.«
»Wirklich alles?« fragte ich.
Sie nickten.
»Dann bringt mich zu Baal. Bringt mich zum Altar und dieser Götzenbrut!«
Die sechs Männer erschraken. Damit hatten sie nicht gerechnet. Sie rangen die Hände und versuchten mit allen Überredungskünsten, mich von meinem Plan abzubringen.
Als ich ihn erklärte, bekamen sie es wieder mit der Angst zu tun, doch ich ließ mich durch nichts abbringen und nahm wieder den Platz auf dem Wagen ein, auf dem ich schon zuvor als Leiche gelegen hatte.
»Ihr werdet mich zum Altar des Götzen Baal bringen und so tun, als sei nichts geschehen. Habt ihr gehört?«
»Ja, Herr!«
»Dann los!«
Ich lag rücklings auf der Fläche und hörte den Knall einer schweren Ochsenpeitsche.
Das Gespann setzte sich in Bewegung. Ich spürte den Ruck, hörte das Mahlen der Räder auf dem getrockneten harten Boden und roch schon bald den Staub, der von ihnen aufgewirbelt wurde. Rechts und links des Wagens quoll er hoch und legte sich wie ein Schleier über das Gefährt.
Ich blieb ruhig liegen und harrte der Dinge, die bald kommen mußten.
Geduld zählte zu meinen Tugenden, obwohl ich als Barbar bekannt war. Ich mußte warten können, ich würde warten, und ich wußte genau, daß nicht nur Baal auf mich lauerte, auch sein Opferaltar und die Leichenvögel.
Ich schaute hoch in den Himmel.
Grell schien die Sonne. Der in der Luft liegende Staub ließ ihre Scheibe wie ein helles, von Tränen umflortes Auge erscheinen. Der Staub setzte sich überall fest. Schon bald brannte er in meinen Augen, lag auf den Lippen und drang auch in meinen Mund.
Der Durst wurde stärker.
Ein Barbar wie ich hatte es gelernt, diese Gefühle zu unterdrücken.
Wichtig war der große Kampf, dem ich nicht würde entrinnen können.
Man hatte mich als Leiche auf den Altar des Götzen bringen wollen.
Ich würde kommen.
Aber als Kämpfer!
***
Claudia Darwood hielt den Wulst des Schlauchboots fest. Sie hatte es geschafft und das Boot aus seiner Deckung gezogen, doch sie kam nicht mehr dazu, es weiter in Richtung Wasser zu schleifen. Die Ereignisse zwangen sie, stehenzubleiben, denn Suko hatte sich überwunden und griff an.
Damit rechnete die Monsterspinne nicht. Plötzlich erschien ihr Gegner dicht
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