0319 - Götzenbrut
erkennen, daß ich dies gesehen hatte.
Sollten sie mich für schlafend halten. Nur nicht für tot.
Ein Vogel segelte herbei. Er hatte seine weiten Schwingen ausgebreitet.
Größer und größer wurde der Vogel. Ich hörte die Angst der Männer an ihren Schreien und heftig ausgestoßenen Worten, sagte aber nichts, sondern blieb still liegen.
Wenn die Vögel etwas wollten, würden sie sich schon zeigen, dessen war ich sicher.
Schon bald sah ich den ersten deutlicher. Sein Schnabel hob sich von dem braunschwarzen Gefieder ab, ebenso wie die Farbe seines Schädels. Er war völlig blank und schimmerte in einem dunklen Rot, das schon einen Stich ins Violette besaß.
Der Schnabel war sehr lang, dabei spitz und leicht gekrümmt. Er kam mir vor wie zwei aufeinanderliegende Dolche. Der Leichenvogel war bereits so nahe, daß ich seine Augen erkennen konnte, und ich fragte mich, weshalb er so hieß.
Wahrscheinlich war er ein Aasfresser…
Der erste Vogel befand sich direkt über mir. Er hielt die Geschwindigkeit des Wagens bei, schlug hin und wieder zum Ausgleich träge mit den Flügeln und ließ sich im nächsten Moment tiefer sacken.
Die Männer spritzten weg. Ihre Schreie wurden noch lauter, Panik überschwemmte sie. Auch ich sah den Vogel dicht über mir. Aus seinen Augen strahlte mir eine ungeheure Bösartigkeit entgegen, dabei war der Blick noch scharf wie ein Messer.
Wollte er mich?
Ich bewegte meine rechte Hand und legte sie schon auf den Schwertgriff. Gleichzeitig spannte ich die Muskeln an, damit ich mich, wenn es darauf ankam, mit einem einzigen Schwung in die Höhe stemmen konnte.
Er war da und huschte vorbei. Einmal hatte er mit beiden Flügeln geschlagen.
Ich spürte noch den Windzug, der mich streifte, dann war der Vogel vorbei.
Dafür hörte ich den schrillen Ruf.
Jetzt hielt mich nichts. Ich mußte sehen, was geschehen war und sprang auf. Dabei schwang ich die Klinge hoch, um mich dem Vogel zu stellen.
Das gelang mir nicht mehr. Er hatte bereits das Weite gesucht, aber mit einem Opfer im Schnabel.
Zwischen den beiden Hälften klemmte einer meiner Begleiter.
Zum Glück rasten die Ochsen nicht davon, sie behielten ihren Trab bei und schienen vor dem Leichenvogel keine Angst zu haben, dafür die Männer um so mehr.
Sie hatten die Nähe des Wagens verlassen und sich zu Boden geworfen. Zwei von ihnen drückten die Gesichter in den Staub. Die anderen drei knieten, rangen die Hände, flehten zu ihrem Götzen, und ich horte mehrmals das Wort Baal heraus.
Ihm allein huldigten sie.
Baal war für sie das Größte. Und er gab und nahm.
Wie jetzt!
Der Leichenvogel war längst aus meiner Sichtweite entschwunden. Im Schnabel hielt er das Opfer. Ich glaubte, ferne Schreie zu vernehmen und sah die anderen fünf Vögel, wie sie aus der Höhe herabstießen und sich an der Beute beteiligen wollten.
Der Leichenvogel drehte ab. Er wurde sehr schnell und flog den anderen davon. Direkt in den Himmel und damit in die gleißende Sonne schien er zu steigen. Dort wurde er zu einem Punkt und war bald gar nicht mehr sichtbar.
Wir blieben zurück.
Die Ochsen hörten nicht mehr das Knallen der schweren Bullpeitsche.
Sie reagierten auf ihre Weise und blieben stehen, die Köpfe gesenkt, schnaubend und prustend.
Ich kletterte vom Wagen.
Zu den Knienden begab ich mich, packte sie an der Schulter und riß sie herum.
Ich schlug sie gegen die Wangen, schrie sie an und sah ihr Kopfschütteln.
Es dauerte seine Zeit, bis sie auf die Füße kamen. Einen pickte ich mir heraus, schleuderte seine Kapuze zurück und drückte ihm die Schwertklinge schräg gegen den Hals.
Der Mann hatte schreckliche Angst. Seine Augen waren verdreht, der Mund stand offen. Auf seinem kahlen Schädel schimmerte der Schweiß in dicken Tropfen.
»Was haben die Vögel gemacht? Weshalb sind sie gekommen? Warum haben sie ihn geholt?«
»Baal!« schrie er. »Baal…«
Immer wieder fiel der Name des Götzen. Mit einem wütenden Laut auf den Lippen wandte ich mich ab und schüttelte den Kopf.
Ich würde ihm bald gegenüberstehen, aber ihm und seinen Leichenvögeln wollte ich es nicht so einfach machen, das schwor ich mir.
Wenn ich den Knochenaltar sah, dann…
»Weiterfahren!« ordnete ich an. »Los!« Bei diesen Worten stieg ich auf den Leichenkarren und legte mich wieder auf den Rücken. Der Abdruck meines Körpers war genau zu sehen, denn dort lag keine Staubschicht.
Die Männer gehorchten. Sie waren nur mehr zu fünft. Was mit dem sechsten
Weitere Kostenlose Bücher