032 - Das Schädelhaus im Todesmoor
sie heiser hervor.
Und im selben Moment setzte bei Murdock Vidor die Metamorphose ein. Er verwandelte sich in ein grauenerregendes Ungeheuer. Sein Gesicht wurde so grau wie der Felsen des Schädelhauses.
Unter der Haut schienen Fäuste zu kämpfen. Das Gesicht wurde größer, war ständig in Bewegung. Der Schädel wuchs in die Höhe, und eine Art Hornkamm bildete sich, der zum Nacken des Untiers hinunterwuchs.
Das Gebiß sprang weit hervor. Die spitzen, langen Zähne hatten beinahe keinen Platz im Maul der Bestie, deren Atem mit einemmal schrecklich nach Verwesung roch.
Ein gelbes Feuer loderte in den geschlitzten Augen des Monsters, die kräftigen Brustmuskeln fingen von innen heraus zu glühen an. Die Hände wurden zu tödlichen Pranken, aus den Fingern wuchsen schwarze Krallen.
Ein dröhnendes Gebrüll entrang sich der Kehle des Scheusals.
Fanny ergriff schreiend die Flucht. Ned Burnett folgte ihr. Er holte sie ein, überholte sie in seiner Panik.
»Ned!« kreischte sie plötzlich.
Er wirbelte herum und sah, daß sie gestürzt war. »Schnell, Fanny! Steh auf!«
Die Bestie stampfte heran. Fanny wälzte sich auf dem Boden entsetzt herum und riß abwehrend einen Arm hoch, während sie sich mit dem anderen hochstemmte.
Ned bangte um das Leben seiner Schwester. Die Bestie wuchtete sich vorwärts, und Ned blieb nichts anderes übrig, als sich dem schrecklichen Ungeheuer entgegenzuwerfen.
Er holte mit seinem Speer aus, richtete ihn gegen das aufgerissene Maul des Untiers und stieß zu. Gleichzeitig brüllte er: »Bring dich in Sicherheit, Fanny!«
Das Mädchen sprang auf. Ned legte seine ganze Kraft in den Stoß, doch die Bestie war ungemein wendig. Die Doppelspitze verfehlte das Ungeheuer. Murdock Vidor hieb mit der Pranke zu.
Ned hechtete zur Seite und entging dadurch dem Treffer. Fanny blieb stehen. »Lauf!« brüllte Ned. »Lauf um dein Leben!«
»Aber du…«
»Kümmere dich nicht um mich!«
Das konnte sie nicht. »Ich hole Hilfe!« rief sie und jagte in den dämmrigen Wald hinein. Sie machte sich etwas vor. Jede Hilfe würde zu spät kommen. Ned konnte unmöglich solange durchhalten, bis sie jemanden fand, der bereit war, sie zum Schädelhaus zu begleiten.
Würde sich überhaupt jemand in Torceston finden lassen, der so viel Mut aufbrachte? Torceston! Wo lag es im Augenblick? Am Ende der Welt! Fanny lief, so schnell sie konnte, aber es war nicht schnell genug.
Ned kämpfte indessen mit dem Herzen eines Löwen. Aber ihm war klar, daß auch sein Heil nur in der Flucht lag. Obwohl er das wußte, stürmte er noch nicht davon.
Fanny brauchte einen Vorsprung. Erst wenn sie den hatte, würde auch er versuchen, sich aus dem Staub zu machen. Bis dahin kämpfte er um sein und um Fannys Leben.
Sollte er es schließlich nicht schaffen, dann sollte wenigstens seiner Schwester ein so grausames Ende erspart bleiben. Mutig warf er sich der Bestie erneut entgegen.
Immer wieder stach er mit der Doppelspitze nach dem Ungeheuer. Murdock Vidor hieb nach Neds Lanze, verfehlte sie, und diesmal schaffte es der tapfere Junge, dem Monster die Holzstange tief ins Maul zu stoßen.
Wie Fangeisen klappten die Zahnreihen zu und bissen das Holz mühelos durch. Ned Burnett traute seinen Augen nicht. Er sah das faserige Ende der Stange. Die Spitze spie ihm die Bestie im selben Moment vor die Füße.
Daraufhin verwendete Ned das Holz wie einen Schlagstock.
Kraftvoll holte er aus. Surrend schwang das Holz durch die Luft und landete auf dem furchtbaren Schädel des Ungeheuers.
Vidor schüttelte sich. Ned Burnett dachte, der Treffer hätte Wirkung erzielt. Er spürte, daß der Boden hinter ihm morastig zu werden begann, und ihm kam blitzartig eine Idee.
Der Sumpf sollte dem Monster zum Verhängnis werden. Er beschrieb einen Halbkreis. Murdock Vidor fuhr herum. Ned rammte ihm die Stange gegen die glühenden Brustmuskeln und hoffte, das Scheusal damit ins Todesmoor zu Stoßen.
Tatsächlich wankte Murdock Vidor vier Schritte zurück. Eigentlich hätte er in den Schlamm einsinken müssen. Jedem Menschen wäre das passiert, und Ned Burnett rechnete mit der Hilfe des Sumpfs.
Doch zu seiner Verblüffung mußte er erkennen, daß er sich verrechnet hatte. Keinen Millimeter tief sank die Bestie in den Morast ein. Für Murdock Vidor schien der schlammige Boden granithart zu sein.
Er trug ihn! Das Moor trug die Bestie! Als Ned Burnett das sah, begriff er, daß er diesem Scheusal nicht beikommen konnte.
Flieh! schrie ihm eine innere
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