032 - Die magische Seuche
Körperteil beschränkte.
Ich blieb beunruhigt und hatte Angst, nicht nur um meine Frau, sondern um die gesamte Bevölkerung der Umgebung.
Ich durfte meinen Posten nicht verlassen.
Am nächsten Tag erlebte ich eine große Freude.
Wir begaben uns eben zu Tisch zum Abendessen, als es klingelte.
Natürlich nahm ich an, daß es sich um einen Patienten, einen dringenden Fall handelte. Aber unser Hausmädchen kam herein und sagte: „Ein Herr möchte Sie sprechen. Es ist kein Patient. Er sagt, er heißt Philippe Ormeil.“
„Philippe!“ rief ich aus. „Lassen Sie ihn gleich eintreten!“
Er war einer meiner besten Freunde. Wir hatten zusammen Medizin studiert, und vorher waren wir bereits ins selbe Internat gegangen. Nelsy, er und ich, wir waren ein unzertrennliches Trio gewesen.
Philippe hatte sich anschließend der biologischen Forschung zugewendet, und wir hatten uns ein wenig aus den Augen verloren. Aber unsere Freundschaft war davon nicht beeinträchtigt worden.
Wir umarmten einander. Er hatte sich kaum verändert und war immer noch der baumlange, magere Kerl von früher, mit denselben etwas schläfrigen Bewegungen, die einen so täuschen konnten, wenn man nicht wußte, zu welch verbissener Arbeitswut er fähig war.
Ich stellte ihn Lucie vor, der ich schon oft von ihm erzählt hatte. Sie reichte ihm die Hand und hieß ihn mit gewohntem Charme willkommen.
Dann fragte ich: „Was machst du denn hier in diesem verschlafenen Nest?“
„Ich werde mich hier niederlassen.“
„Was?“ Einen Augenblick lang war ich sprachlos. „Das ist doch nicht möglich!“
„Sei beruhigt“, sagte er. „Ich mache dir keine Konkurrenz. Ich habe mich heute im Weißen Turm häuslich eingerichtet und war in den letzten Tagen so beschäftigt, daß ich einfach keine Zeit hatte, dir mein Kommen anzukündigen. Außerdem wollte ich dich überraschen.“
Ich wußte bereits seit einer Woche, daß eine Gruppe junger Wissenschaftler erwartet wurde, die unter der Führung von Professor Luern, einem Physiker, hier im Weißen Turm leben und in den Laboratorien Professor Scheelrings arbeiten sollte.
„Mein erster Besuch gilt dir“, schloß Philippe.
„Darüber freue ich mich sehr“, sagte ich. „Du ißt doch mit uns zu Abend?“
„Natürlich, mit großem Vergnügen! Und Nelsy? Ich möchte ihn gern recht bald wiedersehen. Man hat mir gesagt, er wäre verreist.“
„Auf Hochzeitsreise.“
„Der Glückliche!“
„Du bist noch nicht verheiratet?“
„Nein. Daran werde ich später denken.“
Ich öffnete eine Flasche Rotwein. Wir hatten uns in den bequemen Lehnstühlen im Salon niedergelassen. Lucie ging in die Küche, um nach dem Essen zu sehen. Ihre Abwesenheit gab mir Gelegenheit, mit meinem Freund über das heikle Thema zu sprechen.
„Du weißt von unserer mysteriösen Epidemie?“
„Natürlich. Die gesamte Ärzteschaft arbeitet daran, und ich selbst habe mich bereits mit der Sache befaßt. Deshalb habe ich auch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um für den Weißen Turm nominiert zu werden.
Was ist deine Meinung dazu?“
„Ich würde vorziehen, später darüber zu sprechen. Die ganze Sache beginnt meine Frau zu ängstigen.“
„Ich verstehe. Einverstanden. Wir werden dieses Thema nicht berühren.“
Lucie kam zurück.
Das Abendessen war sehr heiter, denn Philippe erzählte ohne Unterlaß lustige Geschichten aus unserer Studienzeit. Auch ich faßte Mut und holte aus meinem eigenen Archiv an Erinnerungen einige besonders schnurrige heraus. Meine Frau war bester Stimmung und lachte herzlich. Ich war glücklich, daß sie wieder wie früher war, als sie fröhlich und unbeschwert von der drohenden Krankheit, sich über harmlose. Scherzchen königlich amüsiert hatte. Ich war selber ein wenig in Hochstimmung, weil mein guter Freund so überraschend gekommen war; außerdem hatten wir bereits die zweite Flasche Rotwein geleert.
Doch das Gespräch kam wieder auf den Weißen Turm zurück.
„Verdammte Bude!“ rief Philippe. „Komfortabel wie eine Leichenhalle. Das Ding muß den seligen Scheelring ein Vermögen gekostet haben. Aber ich habe den Alten gekannt, er war ein komischer Kauz. Ein Genie, ohne Zweifel, aber doch ein bißchen übergeschnappt. Trotzdem hat sein Tod zu Gerüchten Anlaß gegeben, die zwanzig Bände füllen könnten.“
Ich nickte. „Die Einbildungskraft der Menschen ist beachtlich.“
„Jedenfalls sind die Laboratorien, die er hinterlassen hat, ganz ausgezeichnet. Ich hatte noch nicht die
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