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032 - Die magische Seuche

032 - Die magische Seuche

Titel: 032 - Die magische Seuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.R. Bruss
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Setz dir doch nicht solche Ideen in den Kopf. Du hast ganz entzückende, kleine Ohrläppchen.“
    Sie begann zu weinen. „Nein, versuch nicht, mich zu überzeugen. Ich sehe ganz genau, daß ich jetzt dran bin! Oh, Georges! Ich habe solche Angst!“
    Ich brachte kein Wort hervor. Ich war nicht sicher, ob sie nicht recht hatte. Aber ein Zweifel regte sich.
    „Sieh noch einmal in den Spiegel, bevor du dich aufregst, Lucie. Deine Ohrläppchen sind möglicherweise ein bißchen kurz, aber denke doch an deine Freundin Madeleine, sie hat viel kürzere. Ohrläppchen gibt es nun einmal in allen Längen.“
    Ich versuchte ein aufmuntern des Lächeln. „Deine Ohren hatten immer die gleiche Form, bloß habe ich sie kaum jemals zu
    Gesicht bekommen!“
    „Glaubst du?“ sagte sie ernst. „Ich weiß gar nicht, ob die Ohrläppchen immer so kurz waren. Man sieht sich jeden Tag im Spiegel und weiß doch nicht genau, wie man eigentlich aussieht.“ Sie zog die Badekappe vom Kopf und schüttelte das volle Haar. „Komm, laß uns gehen, Liebling. Ich habe keine Lust mehr zu
    schwimmen.“
    Während der Heimfahrt wechselten wir kein Wort. Wir waren beide in unsere angstvollen Gedanken versunken.
    Als wir ins Haus traten, eilte Lucie in unser Schlafzimmer. Einen Augenblick später erschien sie mit einem Foto in der Hand.
    „Schau!“ rief sie. „Du kennst das Bild von mir, du selbst hast es auf der Hochzeitsreise aufgenommen, an der Adria. Hier kannst du mein Ohr genau sehen.“
    Sie stellte sich vor mich und hob ihr Haar. „Schau mich an und vergleiche!“
    Mein Blick wechselte von dem Foto auf das Profil meiner Frau. „Ich sehe keinen Unterschied“, sagte ich.
    Gab es nicht doch einen leichten Unterschied? Es schien mir so, obwohl ich eis nicht beschwören konnte. Ich brauchte meine ganze Selbstbeherrschung, um nicht die Nerven zu verlieren.
    „Bist du sicher?“ fragte Lucie eindringlich. „Ich selbst kann es wirklich nicht genau sagen. Du sagst das nicht nur, um mich zu beruhigen, nicht wahr? Es ist entsetzlich, jeder hat Angst. Die Vergeauds und die Gagneres sind schon abgereist. Ich habe es dir nicht gesagt, aber meine Eltern fragen sich, ob sie nicht auch Hercenat verlassen sollten. Und wenn sie es tun, dann möchten sie gern, daß wir mitkommen.“
    Ich zwang mich zu einem Lächeln. Ich sagte ihr, und das entsprach der Wahrheit, daß die Epidemie noch sehr begrenzt wäre und sich nur sehr langsam ausdehnte. Und ich sagte auch, obwohl ich mir dessen überhaupt nicht sicher war, daß man sie letzten Endes unter Kontrolle bekommen und ein Gegenmittel
    entdecken würde.
    Im Grunde meines Herzens hatte ich große Angst um Lucie. Ich sagte mir aber, daß das Vergleichen eines Fotos mit der Wirklichkeit kein besonders exaktes Mittel war, um winzige Differenzen festzustellen.
    Am nächsten Morgen brachte mir eine Bäuerin aus Burlat, einem Nachbarort, ihre achtzehnjährige Tochter.
    „Sehen Sie ihr linkes Ohr an“, sagte sie energisch.
    Das Ohrläppchen war praktisch nicht mehr vorhanden.
    „Und nun sehen Sie ihr rechtes Ohr an.“
    Das Ohrläppchen war völlig normal.
    „Man hat es nicht gleich bemerkt’’, sagte die Bäuerin. „Sie selbst auch nicht, ihr Haar bedeckt die Ohren. Aber ich glaube, mehr als vierzehn Tage reicht das nicht zurück.“
    Die Tochter, eine hübsche Blondine, weinte leise vor sich hin.
    Ich konnte nicht mehr tun, als ein paar tröstende Worte zu sprechen und ihnen zu sagen, wie ich es bei Lucie getan hatte, daß die größten Mediziner sich mit dieser mysteriösen Krankheit beschäftigten, und daß sie schließlich ein Gegenmittel finden würden.
    Dieser klare und eindeutige Fall stärkte, so seltsam es klingen mag, meine Hoffnung für Lucie. Ich hatte eine rasche Schlußfolgerung gezogen. Bis jetzt waren es immer nur einzelne
     

     
    Körperteile gewesen, die von der Krankheit befallen wurden. Die Tochter dieser Bäuerin setzte die Reihe fort. Niemals hatte es diese Symmetrie gegeben wie bei Lucie, deren Ohrläppchen beide kürzer schienen als früher. Niemals waren es beide Zeigefinger, die sich verkürzten, beide große Zehen, die zu wachsen begannen, beide Daumen, die sich mit Warzen bedeckten.
    Ich wollte meiner Frau von diesen Überlegungen berichten, ließ es dann aber. Wer weiß, ob meine Worte sie überzeugt hätten? Außerdem wollte ich das Thema nicht unnötig anschneiden.
    Vielleicht gab es auch Ausnahmen von dieser Regel, daß die Krankheit sich stets nur auf einen einzigen

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