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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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Vorderteil des Sattels oder ihrem Retter in Berührung. Überall dort, wo Telor sie berührte, tat es weh, doch noch wichtiger als der so erzeugte Schmerz war die Erkenntnis, dass der Mann bald die Dolche bemerken werde, die sie bei sich hatte.
    Die Tatsache, dass er angehalten hatte, um ihr zu helfen, bewies, dass er ein guter Mensch war. Sie glaubte, einige gute Menschen kennen gelernt zu haben, war indes nie lange genug mit einem von ihnen zusammengeblieben, um sicher sein zu können, dass sie keine anderen Beweggründe für ihre offenkundige Freundlichkeit hatten. Alle Menschen, die sie genauer kannten, hatten sie nur für deren eigene Zwecke ausgenutzt. Das Beste war, dass die beiden Männer sie für vollkommen hilflos hielten. Auf diese Weise konnte sie deren Absichten am schnellsten herausfinden.

    Man verließ die Straße und ritt in den Schatten der Bäume am Waldrand, damit Deri und Telor eine Art Damensattel aus einer Decke und einem Seil machen konnten.
    Als Telor Carys jedoch zu Boden gleiten ließ, schrie sie auf, sank auf die Erde und starrte entsetzt auf das Fußgelenk, das ihr den Dienst versagte. Sie riss die Augen auf, so weit, dass sogar in der Dunkelheit das Weiße zu sehen war, ein stummer Schrei grenzenloser Verzweiflung. Sogleich empfand Telor Mitleid. Brach ein Tänzer sich ein Fußgelenk, dann war das so, als hätte er selbst sich eine Hand oder ein Handgelenk gebrochen. Er hockte sich neben Carys.
    „Beweg die Zehen", sagte er harsch.
    Furchtsam schaute sie ihn an. Vor Schmerz biss sie sich auf die Unterlippe, doch die Zehen bewegten sich. Telor legte ihr die Hand auf das Fußgelenk, drückte es hie und da. Sie wimmerte, zuckte jedoch nicht zurück und starrte ihm ins Gesicht.
    Nach einem Moment äußerte er: „Ich glaube nicht, dass etwas gebrochen ist. Du musst dir das Fußgelenk verstaucht haben."
    Er hörte sie einen langen, zittrigen Seufzer der Erleichterung von sich geben und hoffte, er möge Recht behalten. Er hatte das nämlich eher aus dem Wunsch zu trösten gesagt als auf Grund wirklicher Kenntnisse. Dann schlug er vor, um sie vom Grübeln abzuhalten, dass er ihr tiefer in den Wald zum kleinen Bach helfen werde, damit sie sich den Schmutz aus den Wunden waschen könne, und versicherte schließlich, es sei noch genügend Zeit, um fortzukommen, falls Männer aus der Burg auf der Suche nach ihr sein sollten.
    „Und halt auch den Fuß ins Wasser", riet er ihr eindringlich. „Die Kälte wird ihm gut tun."
    Carys brauchte seinen Rat nicht. Sie war vertrauter als er mit Verstauchungen und Knochenbrüchen. In der Aufregung und Verwirrung bei der Flucht und der Rettung hatte sie vorübergehend vergessen, wie weit sie mit dem verstauchten Fuß gerannt war. Als sie ihn jedoch ins Wasser hielt und sich vorbeugte, um auch die zerschrammten Hände einzutauchen, flüsterte sie: „Vielen Dank, Liebe Frau."
    Es würde einige Tage dauern, bis die Schmerzen im Fußgelenk nachließen. Sie hatte erkannt, dass der hoch gewachsene Mann Mitleid hatte, als er ihre Angst bemerkte.
    Vielleicht erlaubte er ihr, bei ihm zu bleiben, bis sie wieder tanzen konnte, und dann, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst verdiente, konnte sie ihm vorschlagen, ständig mit ihm zu ziehen. Falls er das nicht wollte, würde sie, wenn er und sein Begleiter sie verließen, in einer verzweifelten Lage sein.
    Ohne Truppe konnte sie ihre Fähigkeiten nicht zur Schau stellen. Wenn sie irgendwo allein erschien, um zu tanzen, würde man sie als Hure aus jedem Dorf und jeder Stadt vertreiben, selbst wenn sie nie einen Mann an sich heranließ.
    Falls die beiden Männer sie nicht bei sich behielten, bestand tatsächlich die einzige Möglichkeit, nicht hungers zu sterben, darin, Hurerei zu betreiben, bis sie eine Gauklertruppe fand. Angeekelt verzog sie den Mund. Morgan und Ulric hatten sie stets ermutigt, sich Männern gegen Bezahlung hinzugeben, jedoch eingesehen, dass sie als Tänzerin mehr einnahm als das, was sie als Hure hätte verdienen können.

    Keiner von beiden hatte gewagt, sie zu schlagen oder zu sehr darauf zu dringen, dass sie hurte, um zusätzlich Geld zu bekommen, weil sie eine gute Seiltänzerin war und zu einer anderen Truppe hätte wechseln können, wäre sie von ihnen misshandelt worden.
    Carys wusste jedoch, dass es dauern würde, eine gute Truppe zu finden, die eine Seiltänzerin brauchte. Wenn sie nicht bei diesen beiden Männern blieb, dann würde sie huren oder hungern müssen, bis sie auf die richtige

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