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sie fest, so dass sie die Arme durch die Öffnungen stecken konnte. „Auch ich hatte früher noch einen anderen Namen, den ich jedoch hinter mir gelassen habe", fügte er hinzu. „Er ist nicht wichtig."
Die rasch geäußerte Bemerkung schien dazu bestimmt gewesen zu sein, Carys' Frage, warum der Zwerg seinen anderen Namen nicht mehr trage, zu unterbinden.
Sie ging auf diesen Hinweis ein, denn es war schon genug, dass ihre Hoffnungen sich erfüllt hatten. Telors Beiname bekundete, dass er ein Spielmann war, und ließ keinen Rückschluss auf seine Herkunft zu. Nachdem sie Telors zweiten Satz gehört hatte, wusste sie, dass sie irgendwann über die Schlussfolgerungen nachgrübeln musste, die sich daraus ergaben und vielleicht unangenehm waren. Einstweilen begnügte sie sich jedoch damit zu schweigen, während Telor ihr erklärte, wie sie im Damensitz auf dem Pferd zu sitzen und sich an den Stricken, die er mit dem Sattel verbunden hatte, festzuhalten habe.
„Aller Wahrscheinlichkeit nach wirst du sie nicht benutzen müssen", sagte er zum Schluss, während er den Fuß in den Steigbügel schob und aufsaß. Dabei verrenkte er sich ziemlich, um zu vermeiden, Carys mit dem rechten Bein zu stoßen. „Wir werden langsam reiten, so dass du nicht Gefahr läufst, vom Pferd zu fallen. Falls wir jedoch verfolgt werden sollten, kannst du im Herrensitz reiten und dich an den Stricken festhalten."
Ungeachtet dieser beruhigend gemeinten Worte klammerte Carys sich sowohl an den Sattel als auch an die Stricke, während man zur Straße zurückritt. Die Bewegungen des Pferdes vermittelten ihr das Gefühl, nicht sehr sicher zu sitzen. Der Abstand zur Erde war nicht sehr groß, dennoch hatte sie noch immer große Angst davor, vom Pferd zu fallen. Denn der Abstand war viel zu klein, um sich zusammenkrümmen und eine Rolle machen zu können. Und wegen des verstauchten Fußgelenkes konnte sie im Falle eines Sturzes nicht auf den Füßen aufkommen. Daher war sie überzeugt, dass sie, wenn sie vom Pferd fiel, ihm direkt vor den Hufen landen werde.
Schließlich wurde sie von Erschöpfung übermannt. Sie war so müde, so müde . . .
"Carys!"
Der scharfe Klang der Stimme und eine Hand, die sie am Arm zerrte, rissen Carys aus dem Schlaf. Unwillkürlich legte sie Telor den Arm, an dem er zerrte, um den Oberkörper und klammerte sich an ihn, auch noch nachdem der Lautenspieler ihren Arm losgelassen hatte, obwohl sie merkte, dass er sich versteifte. Aber sobald ihre Furcht sich gelegt hatte, zog sie den Arm fort und setzte sich wieder aufrecht hin. Es war dumm von ihr gewesen einzuschlafen! Hatte Telor gemerkt, dass sie eingeschlafen war, oder gedacht, sie lehne sich aufreizend an ihn?
„Es tut mir Leid", sagte sie rasch. „Ich bin so müde."
Er erwiderte nichts, und sie unterdrückte einen resignierenden Seufzer. Verbittert verkniff sie die Lippen, weil sie sich in wachem Zustand wieder der Schmerzen in ihrem geschundenen Körper bewusst geworden war. Hoffentlich hatte Telor ihre Geste nicht als Aufforderung verstanden, dass sie mit ihm schlafen wolle. Kein Mann würde auf ihre Verletzungen Rücksicht nehmen oder darauf, dass sie gesagt hatte, sie sei müde. Telor schwieg immer noch, hielt jedoch das Pferd nicht an oder lenkte es in den Schutz von Bäumen. Wahrscheinlich fand er, man sei noch zu sehr in der Nähe der Burg.
Der Gedanke, sich ihm hinzugeben, blieb ihr im Sinn haften, und als sie nicht mehr an ihre Müdigkeit und die schmerzenden Abschürfungen dachte, fand sie die Vorstellung, mit ihm zu schlafen, überhaupt nicht unerfreulich. Aber wer konnte schon wissen, welche Fähigkeiten er im Bett besaß? Im Allgemeinen brachte Lust die unerfreulichsten Wesenszüge eines Mannes zum Vorschein. Aber Telor hatte sie gerettet, und ihr Körper war das einzige Kapital, mit dem sie ihm seine Hilfe entlohnen konnte. Und falls er das Zusammensein mit ihr genoss, war das vielleicht ein Weg, um ihn dazu zu bringen, sie bei sich zu behalten, bis sie für sich einen geeigneten Platz fand. Aber würde er das Zusammensein mit ihr genießen? Plötzlich wünschte sie sich, auf die alte Hure Ermina gehört zu haben, die zu Morgans Truppe gezählt und versucht hatte, ihr beizubringen, wie man einem Mann Vergnügen verschaffte. Damals war sie jedoch nur daran interessiert gewesen, wie sie Männer entmutigen könne, und hatte Ermina nicht zugehört.
Wäre Telor bewusst gewesen, was Carys dachte, hätte er sie sogleich beruhigt. Das Verkrampfen, als
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