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um den Hals gelegt wird."
„Nein!" rief Telor aus. „Ich bezweifele, dass Lord William sich an Deri erinnert, und er weiß nicht einmal, dass du existierst. Was ich mit ihm abgemacht habe, betrifft nur mich allein. Ich habe eine kleine Aufgabe, die, wie ich hoffe, Deri erledigen wird, aber ich glaube nicht, dass die
Ausführung Gefahren in sich birgt. Und du bist von der ganzen Sache überhaupt nicht betroffen. Wie kannst du glauben, ich würde dich nach der gestrigen Nacht auch nur der leisesten Bedrohung aussetzen?"
Caiys löste sich von Telor. „Nach der gestrigen Nacht? Wie kannst du in einem Atemzug von der gestrigen Nacht und deiner Absicht reden, durch irgendeinen verrückten Plan, bei dem du Gott-wer-weiß-nicht-was tun willst, deinen Hals zu riskieren? Nach der gestrigen Nacht denkst du nicht, dass die Möglichkeit, dich zu verlieren, nicht die leiseste Bedrohung für mich ist?"
Telor seufzte. „Was immer auch geschehen wird, findet erst in einigen Tagen statt, Carys. Wollen wir uns den heutigen Tag nicht durch Ängste vor dem Morgen trüben.
Wo ist Deri?"
„Auch mit ihm stimmt etwas nicht", antwortete Carys und unterdrückte ein Aufschluchzen. „Er ist oben auf dem Dachboden und bessert seine Sachen aus."
„Es ist nicht falsch, Sachen auszubessern", meinte Telor und furchte die Stirn. „Was meinst du damit, dass mit Deri etwas nicht stimmt? Es war doch alles mit ihm in Ordnung, als ich heute Morgen mit ihm redete."
„Ich weiß nicht, was nicht mit ihm in Ordnung ist."
Ihre Stimme hatte leise und nicht unsicher geklungen. Dennoch schaute Telor ängstlich Caiys an. Die Anspannung, unter der sie zu stehen schien, ließ vermuten, dass sie jeden Moment schreien oder in hysterisches Gelächter ausbrechen würde.
Und mit jedem Versuch, sie zu beschwichtigen, schien er alles nur noch schlimmer zu machen. Die Beschäftigung mit den Pferden am vergangenen Abend hatte sie beruhigt gehabt. Vielleicht würde es hilfreich sein, | ihr eine praktische Aufgabe zu übertragen.
„Ich muss mit Deri reden, mein Herz", sagte Telor ein- 1 dringlich. „Ich möchte, dass er heute nach Creklade reitet, 1 und es wird spät. Kannst du mir etwas Bier holen?
Nach dem Singen habe ich einen trockenen Hals bekommen." Er drückte ihr einen Penny in die Hand und küsste sie sacht auf die Wange. „Kannst du das tun, Liebling?"
Carys nickte hoffnungslos, wandte sich ab und fragte sich, während sie zu der Bierstube trottete, welche große Sünde sie oder ihre Eltern begangen hatten, so dass sie es verdiente, dass jede Freude, die sie im Leben hatte, in Qualen verwandelt wurde. Endlich war sie mit einem Mann zusammen gewesen, der ihr Freude erzeugte, einem freundlichen und großzügigen Mann, der sich nicht so benahm, als sei sie nicht mehr als ein grobes Gefäß, das man benutzte oder aus einer Laune zerbrach. Kaum hatte sie diese Freude gekostet, war sie ihr schon wieder genommen worden, so dass sie in einem Zustand zurückblieb, der schlimmer war als jeder Zweifel und ihre bisherige Ignoranz.
Eine Nacht, eine einzige Nacht vollkommenen Glücks war alles, das ihr bewilligt worden war. Das hatte sie von dem Moment an gewusst, in dem sie erwacht war und festgestellt hatte, dass Telor verschwunden war. Derweil Deri und sie an der Theke des Speisehauses gesessen hatten, um das Frühmahl einzunehmen, hatte sie versucht, ihm zu erklären, Telors Eifer, mit Lord William zu reden, bedeute nichts Gutes, doch der Zwerg war anscheinend unfähig gewesen zu begreifen, was sie zu ihm gesagt hatte.
Dauernd hatte er erwidert, sie solle nicht verärgert sein, und hatte nicht zuhören wollen, als sie ihm zu verstehen gab, sie erwarte nicht, bei Telor an erster Stelle zu stehen, da sie wisse, dass die Zuneigung zu einer Frau bei Männern stets nach dem Ehrgefühl, dem Stolz, der Habsucht oder anderen Begierden den zweiten oder dritten Platz einnahm. Dennoch hatte Deri ihr fortwährend versichert, dass Telor ihr gut sei, sein Fortgehen eine Notwendigkeit gewesen war, aber kein Zeichen von Verachtung oder Mangel an Liebe für sie. Und in der ganzen Zeit, in der er geredet hatte, war sein Blick ausdruckslos gewesen, und sein Lächeln hatte ausgesehen, als sei es von den Muskelzuckungen, die den Mund eines Toten verzerren, verursacht worden.
Schließlich hatte Carys ihm schreiend vorgehalten, Telor habe etwas vor, durch das sie alle drei ins Unglück gestürzt würden. Danach hatte er geblinzelt und genickt und die Stirn gefurcht, und
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