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herumstehen, derweil diese Idioten über das nachdenken, was sie gesehen haben? Wenn da ein Junge war, ist er vielleicht fortgerannt, als er hörte, wie wir den verdammten Zwerg zusammengeschlagen haben. Aber er kann auf keinen Fall ungesehen aus Marston entkommen. Wir könnten Hauptmann Henry fragen, wenn er aufwacht."
„Falls er überhaupt je wach wird und nicht wirr im Kopf ist", brummte der zweite Mann. „Ich frage mich, was mit dem Sänger geschehen wird, falls Hauptmann Henry stirbt."
Der dritte Mann lachte. „Nichts Schlimmeres, als ihm ohnehin widerfahren wird, da Or . . . äh . . . Lord Orin ihn in Stücke reißen lassen will."
Der zweite Mann nickte. „Wer hätte gedacht, dass ein Barde so hart zuschlagen kann, noch dazu mit einer Laute?" Die Erinnerung an das Unglück, das Hauptmann Henry getroffen hatte, schien ihn zu beruhigen, denn er nickte seinen Begleitern zu und sagte: „In Ordnung. Der Junge kann nicht entkommen. Daher besteht keine Notwendigkeit, ihn zu suchen. Ich werde den Wachen sagen, dass sie morgen auf ihn achten sollen. Er wird früh genug gefasst werden."
Der erste Mann, der nach seiner an den Stallknecht gerichteten Frage nichts mehr geäußert hatte, sagte jetzt so laut, dass die auf ihren Schlafsäcken sitzenden Männer ihn ebenso hören konnten wie die beiden, die neben ihm standen: „Lord Orin wird morgen jemanden herschicken, der die Sachen des Barden holt. Kommt also nicht auf den Einfall, irgendetwas zu stehlen. Ich weiß, was hier ist. Sollte etwas fehlen, werdet ihr dafür büßen."
Die beiden Stallknechte hasteten von der für sie verbotenen Beute fort, und die Soldaten gesellten sich zu ihrem Gefährten, der nur den Kopf schüttelte, nachdem man ihn gefragt hatte, ob er etwas gesehen habe. Immer noch untereinander streitend, jedoch nicht feindselig, gingen die vier Männer aus dem Stall und, wie Carys annahm, zur Halle zurück. Sie verlagerte das Gewicht, damit sie bequemer auf dem Balken sitzen konnte, und achtete darauf, leise zu sein, wenngleich die Stallburschen jetzt aufgeregt miteinander redeten und vermutlich nichts gehört hätten. Als sie sich sicher fühlte, schlang sie vor Freude die Arme um den Oberkörper. Telor lebte ebenso wie Deri!
Die erste Aufwallung von Freude dauerte jedoch nicht lange. Carys zweifelte nicht daran, dass sie fähig sein werde, zu Telor und Deri zu gelangen, doch ihr war der Gedanke gekommen, beide könnten zu stark verletzt sein, um fliehen zu können.
Diese Möglichkeit dämpfte ihre Freude, doch sie gestattete sich nicht, sich zu lange mit diesem Gedanken aufzuhalten oder darüber nachzugrübeln, was sie tun müsse, falls die beiden zu verletzt waren. Stattdessen versuchte sie, sich einen Weg auszudenken, wie sie und Deri einem vielleicht verletzten Telor bei der Flucht helfen oder wie sie und Telor einem hilflosen Deri beistehen könnten, Sie wartete sogar noch, nachdem die Stallknechte wieder schliefen und kein Licht mehr aus den Fenstern der Halle herüberdrang, und hielt durch einen Schlitz im Dachgesims nach allem Ausschau, was sie vielleicht sehen würde. Es war eine sehr dunkle Nacht, und der Mond brach selten durch die Wolken. Es hatte jedoch zu regnen aufgehört. In den wenigen Minuten, in denen der Mond schien, konnte Caiys einen der Wächter auf der Mauer sehen. Er ging auf dem hölzernen Umgang eine gewisse Strecke nach rechts, dann nach links und starrte gespannt vor sich hin, eindeutig bemüht, in der Finsternis etwas zu erkennen. Seine Aufmerksamkeit war jedoch auf die Gegend außerhalb der. Mauer gerichtet.
Als Carys sicher war, dass selbst der rastloseste Mensch jetzt eingeschlafen war, kletterte sie von den Balken herunter und huschte leise zum Stalleingang. Dort blieb sie lauschend stehen und strengte die Augen an, um etwas in der Dunkelheit erkennen zu können, irgendein Hindernis, das zwischen ihr und dem steinernen Nebengebäude
sein mochte, in dem Telor und Deri waren. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme stolperte sie, als sie sich aus dem Stall stahl, über ein Stück Holz, das in der Nähe des Eingangs lag. Man hörte nur das leise, von ihrem gegen das Holz stoßenden Fuß erzeugte Geräusch, da sie in Erwartung eines solchen Missgeschicks die Lippen grimmig zusammenpresste und nicht einmal scharf die Luft einsog.
Dem steinernen Nebengebäude gegenüber blieb sie stehen, schaute sich um und horchte wieder. Alles, was sie hören konnte, waren das Knarren und Knacken der Bohlen des Wehrganges, über die
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