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032

Titel: 032 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Seiltänzerin
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gebunden. Aber man band einer Leiche nicht die Hände. Deri lebte!
    Carys huschte um die Stalltür, ging in die Richtung, in die Deri geschleppt worden war, und sah gerade noch den Mann bei einem steinernen Nebengebäude anhalten.
    Es war ihr nicht möglich zu sehen, was er tat, doch sie hörte ein leises Geräusch. Sie brauchte einen Moment, um es als das Kratzen von Metall auf Metall zu identifizieren. Dann vernahm sie den unmissverständlichen dumpfen Aufprall eines weichen, aber schweren Gewichts, das auf dem Boden landete, und schließlich erneut das Kratzen von Metall auf Metall.
    Ehe dieses Geräusch aufhörte, war sie wieder im Stall, und vom Eingang her sah sie den Mann, der Deri eingesperrt hatte, zur Halle zurückkehren. Der Lärm lauter, aufgeregt klingender Stimmen, der durch die Wand des Nebengebäudes gedämpft worden war, derweil Carys beobachtet hatte, wie Deri fortgeschleppt wurde, stieg etwas an. Sie wartete nicht darauf, noch mehr zu hören. So leise wie eine gejagte Maus rannte sie schnell zu der Stelle, wo ihre Habseligkeiten lagen, ergriff die alte Harfe, hängte sie sich um den Hals und klopfte sich auf die Schulter, um sicher zu sein, dass ihr Seil fest zusammengerollt war und die Enden nicht lose herumbaumelten. Dann erklomm sie den nächsten Pfosten.
    Sie stellte soeben die Harfe sicher in den Winkel von zwei Sparren, als sie leise Stimmen vernahm. Es handelte sich um nicht mehr als drei oder vier Leute, die sich dem Stall näherten. Das konnte nur bedeuten, dass man sie suchte. Sie rannte über die Verstrebung zur anderen Seite ues Stalls, wo Telors Reittiere angebunden waren, und traf uort in dem Moment ein, als der erste Schimmer der herbeigetragen werdenden Fackeln den Stalleingang erhellte. Wäre es Tag gewesen, hätte sie die Entfernung zwischen den Kreuzbalken mit einem Sprung überbrückt. Im Dunkeln wagte sie das jedoch nicht. Sie kroch über den Dachbalken, die Hacken auf dem vorstehenden Rand haltend, durch den Winkel des Daches nach vorn gekrümmt, und ergriff jeden Sparren, damit sie nicht hinunterfiel.
    Das war ein langwieriges Verfahren und anstrengender, als wenn sie an den Händen gehangen hätte. Sie war erst zwei Dachsparren weit gekommen, als sie durch das zunehmende Licht und die Stimmen begriff, dass sie anhalten musste. Sie zwängte sich so tief wie möglich in den Winkel des Dach- und des Kreuzbalkens, senkte den Kopf auf die Knie und legte die Arme seitlich an die Wangen, damit ihr blasses Gesicht nicht im Licht auffiel, und atmete vorsichtig durch den offenen Mund, um kein Geräusch zu machen.
    Mit einem Auge ein wenig über den Arm lugend, sah sie einen Mann mit einer Fackel im Eingang stehen bleiben, während drei weitere Männer den Stall betraten.
    Sie wandten sich scharf nach rechts und gingen an der zu Carys gelegenen Seite ungefähr bis zur Mitte des Stalls. Dort traten sie die Stallburschen wach.
    „Wo sind die Pferde des Barden?" fragte ein Mann.
    „Am anderen Ende", antwortete ein Stallbursche, sprang rasch auf die Füße und zeigte dem Mann den Weg.
    „Wo ist der Junge, der mit dem Minnesänger und dem Zwerg hergekommen ist?"
    wollte der erste Mann wissen, nachdem er und seine Begleiter jedes trocknende Kleidungsstück angehoben, in den in der Nähe liegenden Strohhaufen herumgestochert und hinter die Strohballen geschaut hatten.
    „War da ein Junge?" fragte der Stallbursche in ängstlichem Ton und stellte dann den Männern, die sich aufgesetzt hatten und die Suchenden beobachteten, dieselbe Frage.
    „Ich erinnere mich an den Sänger und den Zwerg", antwortete ein zweiter Stallknecht, stand auf und näherte sich widerstrebend. „Ich wollte die Leute fragen, woher sie kamen, und sah, dass der Zwerg schlief. Aber er war allein."
    „Da war ein Junge", sagte der zweite Soldat. „Hier sind drei Reittiere."
    „Aber nur zwei Sättel", erwiderte der Stallbursche furchtsam.
    „Ich schwöre, da war ein Junge", äußerte der zweite Soldat beharrlich. „Er hat sich, als die Gruppe durch das Tor ritt, an den Minnesänger geklammert, um vor dem Wind Schutz zu haben. Ich weiß, was ich gesehen habe!"
    „Einer der anderen Stallknechte hat mit dem Zwerg geredet, als die Leute hereinkamen", versuchte der Stallbursche den unüberhörbar verärgerter werdenden Soldaten zu beschwichtigen. „Ich könnte ihn holen ..."
    „Welchen Unterschied würde das machen, Diccon?" fiel der dritte Soldat gereizt dem Stallburschen ins Wort. „Willst du die ganze Nacht hier

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