0323 - Herrin der Vampirburg
panischem Reflex, versuchte eine Vorwärtsbewegung und löste dabei einen erneuten zeitlosen Sprung aus, irgendwohin, ohne Ziel. Sein Magen begann mit einer hektischen Aufwärtsbewegung - Gryf fiel aus großer Höhe in die Tiefe. Er mußte irgendwie in die Luft gesprungen sein.
Er sprang ein weiteres Mal, spürte aber schon, wie schwer es ihm fiel. Er verausgabte sich. Jeder Sprung kostete ihn weitere Kraft. Diesmal hatte er wieder kein bestimmtes Ziel gewählt, sondern nur den festen Wunsch, Boden unter die Füße zu bekommen.
Er bekam ihn.
Durch das offene Visier sah er blauen Himmel über sich, Steine vor und unter sich und konnte sich gerade noch nach vorn fallen lassen und mit den in Eisenhandschuhen steckenden Fingern festklammern.
Er stand auf einem breiten Sims, einem wuchtigen Mauervorsprung der Burgruine. Unter ihm ging es ein Dutzend Meter in die Tiefe. Wenn er da abstürzte, war es um ihn geschehen.
Das Wasser, das in die Rüstung eingedrungen war, lief jetzt wieder ab. Gryf wurde von einem Hustenanfall geschüttelt, taumelte und drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Für ein paar Augenblicke wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Sein Kopf schmerzte. Er fror, klammerte sich wieder fest und versuchte sich zu erinnern, was in den letzten Sekunden geschehen war.
Alles hatte sich blitzschnell abgespielt.
Sein Erwachen in Wasser - er wußte nicht, wie er da hineingekommen war, auch nicht, wo er sich genau befunden hatte. Aber dann sah er von oben durch nebelartige Schleier den Burghof und darin den Brunnen.
In den war er mitsamt der Rüstung gestürzt…
Jemand mußte ihn hineingeworfen haben - jemand, der sich magischer Kräfte bediente, denn es war alles so schnell gegangen, daß der Gegner zu Fuß noch nicht wieder hätte im Gebäude verschwinden können.
Die Magierin, zu der der Familiaris gehörte! Sie hatte Gryf niedergeschlagen und in den Brunnen gestürzt, damit er mitsamt der schweren Rüstung versinken und ertrinken sollte. Aber wenn ihn - war dann nicht auch Teri dasselbe zugestoßen? Sie hatte doch auch leblos, wahrscheinlich ohne Bewußtsein, in einer Ritterrüstung gesteckt!
Gryf tastete nach Teris Gekanken, nach ihrem Bewußtsein. Er erschrak.
Da war nichts…
Nichts in weitem Umreis…
Wieder wurde ihm schwarz vor Augen, aber diesmal vor Entsetzen. War sie etwa schon tot? War sie vor ihm in den Brunnen gestürzt worden? Denn wenn sie noch lebte, mußte er wenigstens irgendwo das Grundmuster ihres lebenden Bewußtseins empfangen.
Nichts… nichts… nichts…
»Was immer sie mit dir gemacht hat«, flüsterte der Druide erstickt, »sie wird nicht ungeschoren davonkommen, diese Bestie in Menschengestalt…«
Aber zunächst mußte er selbst sehen, daß er davonkam. Er mußte von diesem Sims herunter. Er konzentrierte sich auf einen zeitlosen Sprung, der ihn nach unten in den Burghof bringen würde, ließ los und machte einen Schritt rückwärts. Die Umgebung wechselte; Gryf kam unten an. Er stolperte auf die Ummauerung des Brunnens zu, beugte sich vorsichtig hinüber und sah in die Tiefe. Aber da war nur die ruhige Oberfläche des Wassers, sonst nichts. Nicht einmal Luftblasen stiegen auf.
Nicht mehr…
Ohnmächtiger Zorn hatte den Druiden gepackt, und langsam, Stück für Stück, begann er sich aus seiner Rüstung zu schälen und die Teile irgendwohin zu werfen.
***
Teri Rheken war nicht tot.
Sie war ebenfalls beim Sturz in das kalte Brunnenwasser erwacht und sofort per zeitlosen Sprung geflohen; eine Reflexhandlung, die sie sich von jeher angewöhnt hatte. Sie hörte noch einen zweiten Aufschlag, während sie eintauchte, und kam später darauf, daß dies Gryf gewesen sein mußte; die Parallelität der Ereignisse wies auf den zweiten Druiden hin.
Im Gegensatz zu Gryf kam sie nicht hoch oben in der Luft an, sondern zu ebener Erde am Berghang mitten im Wald. Dort spie sie das in der ersten Sehreckreaktion geschluckte Wasser aus und gönnte sich eine kurze Ruhepause zum Erholen und Nachdenken. Allerdings bemühte sie sich dabei, sich magisch und telepathisch vollkommen abzuschirmen. Sie wußte nicht, welche Fähigkeiten ihre Gegner noch besaßen, und sie wollte sie im Glauben lassen, sie durch den Sturz in den Brunnen versenkt und getötet zu haben.
So kam es, daß selbst Gryf keinen Lebensimpuls mehr von ihr aufspüren konnte.
Mühsam entledigte Teri sich der Rüstung. Ihre Kleidung war durchnäßt, und sie überlegte, was zu tun war. Sie unterdrückte den Impuls,
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