0323 - Herrin der Vampirburg
Schlimmste. Abwarten und nichts tun können.
Aber sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben…
Vielleicht geschah noch ein Wunder…
***
Der Familiaris gab eigenartig rasselnde Laute von sich, und er war nicht mehr in der Lage zu fliehen. Mit seiner wütenden Abwehrreaktion hatte Gryf ihn verletzt. Dazu kamen die ausgeschlagenen Zähne.
»Ich kann mich nicht allein regenerieren«, zischelte er. »Du mußt mir helfen.«
Die Vampirin nickte.
Eigentlich, überlegte sie, hätte er ja genau andersrum sein müssen.
Sie nahm den Hilfsdämon auf, setzte ihn sich auf die Schulter, wo er mühsam balancierte.
»Der Druide hat mich mitgerissen«, sagte der Familiaris. »Ich konnte nicht damit rechnen, daß er springen würde. Ich weiß auch nicht, was er sich davon versprach.«
Narr, dachte die Vampirin. »Du hast versucht, ihn zu beißen?«
»Ja.«
»Er hat dich für einen von meiner Art gehalten und wollte dich in die Sonne bringen. Deshalb sprang er, und geriet dadurch in die Falle«, sagte die Vampirin. »Dein Pech, daß du dir den Gag mit den Rüstungen ausgedacht hast.«
Sie schritt dem Keller entgegen, benutzte dabei den Geheimgang zwischen Wänden und Treppen und kam auf diese Weise schneller ans Ziel, als wenn sie über die normale Haupttreppe und den offiziellen Kellereingang gegangen wäre. Außerdem brauchte sie so die magisch verriegelte Kellertür nicht eigens von ihrer Magie zu befreien. Ihretwegen konnten die ausgelösten Fallen und Sperren ruhig so bleiben. Sie hatte ohnehin nicht vor, noch lange in dieser Ruine zu wohnen. Die war ein Unterschlupf für sie geworden, ehe sie den Fürsten der Finsternis beschwor. Hätte er ihr nicht geholfen, gegen das Tageslicht immun zu werden, hätte sie sich weiter hier unten in den Kellergewölben in ihrem Sarg verkrochen. So aber brauchte sie nicht einmal mehr diesen Sarg.
Sie kam von weither. Man hatte sie vertrieben, und hier in Schottland glaubte sie ein neues Betätigungsfeld finden zu können. Hier wußte, von den beiden Druiden, die im Brunnen versunken und tot waren, und den beiden Gefangenen im Keller einmal abgesehen, niemand von ihrer Existenz, und es würde geraume Zeit dauern, bis man sie entlarvte. Zumal sie sich jetzt auch im Tageslicht bewegen konnte; ein entscheidender Vorteil, der ihrer Tarnung zugute kam.
Auch konnte sie sich ihre Opfer jetzt bei Tage suchen; selbst die Abergläubischsten in Eddieston und Umgebung würden zögern, an Vampirismus zu glauben, weil Vampire doch nur in der Nacht jagten…
»Ich werde deine Verletzungen mit einer magischen Beschwörung heilen, Familiaris«, sagte sie. »Diane wird das Opfer bereits auf den Altar gebracht haben.«
»Du solltest dich beeilen«, krächzte der Fledermausdämon.
Die Vampirin nickte. Sie ahnte nicht, daß der Familiaris die Macht besaß, sie zu töten, wenn sie seinen Wünschen nicht gehorchte, oder wenn er feststellte, daß er sterben würde. Ihrer beider Schicksale waren durch den Fürsten der Finsternis eng und unauflösbar miteinander verknüpft worden.
So aber glaubte sie, ihre Macht auskosten zu können. Der Dämon erwartete Hilfe von ihr. Großmütig, wie sie war, würde sie ihm diese Hilfe gewähren und ihn sich dadurch noch stärker verpflichten, als es des Höllenfürsten Befehl tat.
Glaubte sie.
Sie trat in den Gewölberaum, in dem sich der Altar befand, setzte den Familiaris ab und begann mit den Vorbereitungen für ihre Beschwörung.
Eine Beschwörung, die die Verletzungen des Hilfsdämons heilen und John Clandis das Leben kosten würde…
***
Gryf eilte, naß wie er war, mit am Körper klebender Kleidung zum Portal hinüber und drang wieder in das Hauptgebäude der Burgruine ein. Er hinterließ Wasserflecken überall dort, wo er sich bewegte. Zusammen mit dem Staub ergab das wunderbare schmierige Flecken, die jedes arbeitsame Putzfrauenherz erfreut hätten.
In der Eingangshalle hatten sich die Glassplitter des Deckenleuchters mit den traurigen Überresten seines magischen Silberstabes vermischt. Der Stab war zerstört; er würde sich einen neuen beschaffen müssen. Er hoffte, daß Merlin sich von seiner großzügigen Seite zeigen würde. .
Vorerst aber mußte er der Vampirsfrau waffenlos gegenübertreten, nur mit seinen Druiden-Kräften, und wohl auch dem Familiaris, der mit Sicherheit nicht tot war. Dann gab es noch den oder die Menschen hinter der Kellertür…
Gryf rüttelte am Griff. Die Tür war immer noch verschlossen. Der Druide suchte kurz in seinen
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