0323 - Ich jagte das »Blaue Gesicht«
ihre Haltung vorbildlich. Aber als sie dann ins Wasser plumpste, sah es gar nicht mehr schön aus. Sie fiel wie eine willenlose Gliederpuppe, und es klatschte gehörig, als sie ins Wasser tauchte.
Ich lief hinunter.
Phil saß auf der Terrasse und las die New York Times. »Und das nennst du Dienst«, rief er, als ich an ihm vorbeiflitzte.
Der kurzgeschorene englische Rasen war weich und nachgiebig wie ein Teppich. Ich erreichte das meergrün gekachelte Schwimmbecken und sah mich nach Eileen um. Sie war noch im Wasser. Sie tauchte in der Mitte des Beckens.
Ich sah ihren Körper in den kristallklaren Fluten.
Aber, was war das?
Mir stockte der Atem Die Frau bewegte sich nicht. Sie schwebte, mit dem Gesicht nach unten, eine Handbreit über dem Grund. Ihre Arme wurden vom Wasser bewegt, schwangen langsam in sinnlosen Bewegungen.
Mit einem langen Hechtsprung verschwand ich im Wasser. Es war sehr kalt, sehr klar und schmeckte wie Leitungswasser. Für einige Sekunden blieb mir die Luft weg. Dann stieß ich den Kopf hinab, tauchte, und schnellte mit kräftigen Zügen auf die Frau zu. Ich erreichte sie, packte sie von hinten an den Schultern, stieß mich vom Grund ab und schoß mit ihr hinauf an die Oberfläche.
Völlig schlaff hing die Frau in meinen Armen.
Mit ein paar Beinschlägen brachte ich mich an den Rand des Beckens. Ich mußte jetzt den Griff wechseln, um die Frau aufs Trockene zu ziehen. Dabei drehte sie sich in meinen Armen und kehrte mir das Gesicht zu.
Ich war so entsetzt, daß ich sie losließ.
Sie tauchte langsam unter, und das Wasser wischte ihr den dünnen Blutfaden vom Gesicht, der aus dem Loch in der Stirn gesickert war und sich bis zum Kinn hinabgezogen hatte.
Ich zog die Leiche aus dem Wasser und legte sie auf den grünen Rasen.
Phil kam, sah Eileen Hasting einen Augenblick schweigend an und lief dann ins Haus, um unsere Mordkommission zu verständigen.
Ich bückte mich und betrachtete die Wunde.
Es war nur ein kleines Loch etwas oberhalb der Nasenwurzel. Aber es war eine tödliche Wunde. Eileen Hasting mußte sofort tot gewesen sein. Und jetzt wußte ich auch, wann sie der Schuß getroffen hatte. Genau in jenem Augenblick, als sie auf dem Sprungturm gestanden hatte. In dem Augenblick war der Schuß abgefeuert worden. Ich hatte zugesehen, mich über den verunglückten Sprung gewundert. Es war kein verunglückter Sprung gewesen. Es war ein Sturz gewesen zu einem Zeitpunkt, da die Frau bereits tot war.
Der Sprungturm stand auf der dem Hause zugewandten Seite des Beckens. Folglich hatte die Frau das Gesicht dem Silver Lake Park zugekehrt. Und dort, also, etwa vierzig Yard entfernt, mußte der Mörder gestanden haben. Hinter der Hecke. Vielleicht war er auch auf einen der Bäume geklettert und hatte von dort aus geschossen.
Ich hatte keinen Knall gehört. Vermutlich hatte der Mörder einen Schalldämpfer benutzt. Das Kaliber der Waffe konnte nicht groß sein. Ich tippte auf einen 32er Colt mit langem Lauf, oder auf eine Scheibenpistole. Eine Gewehrkugel konnte es nicht sein. Denn sie hätte den Schädel durchschlagen. Und außerdem war es äußerst schwierig, auf einem Gewehrlauf einen Schalldämpfer zu befestigen, zumal Schalldämpfer bei Gewehren nur wirksam sind, wenn sie mindestens Lauflänge haben.
Jetzt war es natürlich sinnlos, in dem Park nach dem Mörder zu suchen. Die Zeit, die seit dem tödlichen Schuß vergangen sein mußte, reichte aus, um sich davonzumachen.
Phil kam zurück. Sein Gesicht war hart.
»Unsere Leute kommen gleich«, sagte er.
***
Am nächsten Morgen saßen wir in unserem Office und studierten die Zeitungen.
In großer Aufmachung brachten sie den Mord an Eileen Hasting. Unverblümt wurde gesagt, daß das FBI versagt und sich dem blauen Gesicht als nicht gewachsen erwiesen habe.
Der Wirbel um Fletcher wurde noch stärker entfacht, als es während der letzten Tage geschehen war. In einigen Blättern stand, daß es sich bei dem Staatsfeind Nummer eins um einen so raffinierten Verbrecher handeln müsse, daß ihm mit den üblichen Polizeimethoden nicht beizukommen sei.
Phil warf eine Ausgabe der Times mißmutig auf den Schreibtisch, erhob sich und begann im Zimmer auf und ab zu laufen.
»Irgendwo muß der Kerl doch stecken«, knurrte mein Freund. »Er ist noch hier. Das wissen wir jetzt. Und er kommt auch so schnell nicht heraus. Auf den Flughäfen werden Kontrollen durchgeführt, an den Ausfallstraßen warten Streifen der City Police, auf ein Schiff kann
Weitere Kostenlose Bücher