0323 - Ich jagte das »Blaue Gesicht«
Cent für eine Kugel bezahle.«
Er krümmte noch einmal den Finger, aber wieder ging der Schuß nicht los.
Nur ein Klicken war zu vernehmen. Bei den übrigen fünf Kugeln, die in der Trommel saßen, war es nicht anders.
Nicht ein einziger Schuß löste sich.
Hasting ließ die Waffe sinken und blickte mich verstört an. »Wie ist denn das möglich?«
»Geben Sie den Colt mal her!«
Er gab ihn mir. Ich öffnete die Trommel, nahm mir die Patronen heraus und sah mir die Zündhütchen an. Nicht ein einziges wies auch nur den geringsten Kratzer auf, geschweige die Delle, die entstehen muß, wenn der Schlagbolzen des Hahns das Hütchen trifft.
»Wann haben Sie zum letzten Male mit der Waffe geschossen?«
»Vor wenigen Tagen. Und da funktionierte sie tadellos.«
Ich spannte den Hahn und betrachtete die Spitze des Schlagbolzens.
Es war genauso, wie ich vermutet hatte.
Der Stahldorn des Schlagbolzens war stark abgeplattet. Es sah so aus, als sei jemand ein paarmal kräftig mit einer Feile darübergefahren.
»Sehen Sie sich das an«, sagte ich und zeigte es ihm. »Irgend jemand hat den Schlagbolzen etwas kürzer gefeilt. Das bewirkt, daß der Stahldorn das Zündhütchen nicht mehr erreicht. Er ist zu kurz. Folglich kann kein Schuß losgehen. — Die Patronen sind wahrscheinlich in Ordnung. An Ihnen liegt das Versagen nicht.«
Hasting riß sein Taschentuch hervor und fuhr sich damit über die Stirn.
»Das ist ja schrecklich. Da will mich offensichtlich jemand wehrlos machen.« Ich nickte. »Möglicherweise war dieser Jemand heute nacht in der Garage. Möglicherweise hat er Ihren Revolver gebrauchsunfähig gemacht.«
Hasting fuhr sich wieder über die Stirn.
»Wenn es sich so verhält«, sagte ich, »dann dürfte allerdings klar sein, daß nicht das blaue Gesicht der Täter sein kann. Denn woher sollte Fletcher wissen, daß Sie eine Waffe im Handschuhfach spazierenfahren?«
Hasting starrte mich an, und plötzlich malte sich Schrecken in sein Gesicht. »Er kann es gewußt haben. Denn gestern, als ich unter dem Schutz Ihrer Kollegen drei Stunden lang über den Broadway lief, habe ich den Colt im Wagen liegengelassen. Ich war verstört, hatte vergessen, ihn mitzunehmen. Meinen Wagen hatte ich in der 40. Straße abgestellt. Zwar hatte ich ihn abgeschlossen. Aber der Colt lag auf dem rechten Vordersitz. Wenn sich dieser Fletcher meinen Wagen angesehen hat, muß er die Waffe gesehen haben.«
»Das stimmt«, sagte ich nachdenklich, »wir haben leider nicht daran gedacht, Ihren Wagen bewachen zu lassen. Konnte ja auch niemand wissen, daß Fletcher dafür Interesse zeigt. — Aber woher wußte dann Fletcher, daß Sie Ihren Colt ständig im Wagen liegenlassen?«
Hasting zuckte die Achseln.
Wir stiegen wieder hinauf, und ich erzählte Phil von dem Vorfall. Dann boten wir Hasting an, unter Polizeischutz in die Stadt zu fahren. Aber davon wollte er nichts wissen.
***
»Seien Sie vorsichtig«, rief ich ihm nach, als er abfuhr. Aber ich wußte nicht, ob er mich noch gehört hatte.
Die Regenwolken, die sich in den frühen Morgenstunden zusammengezogen hatten, waren wieder verschwunden. Der Wind schwieg, vom Himmel prallte die Sonne, und ich hatte mein Hemd bereits durchschwitzt.
Ich beschloß zu duschen und mir ein neues anzuziehen.
Auf der Terrasse begegnete mir Eileen. Sie war in einen roten Bademantel gehüllt und trug Holzsandalen an den nackten Füßen.
»Wollen Sie schwimmen?« fragte ich.
»Natürlich. Bei der Hitze ist es ja anders nicht auszuhalten.«
»Hm.«
»Soll ich nicht?« erkundigte sie sich.
»Ja, ich weiß nicht recht«, sagte ich nachdenklich. »Eigentlich kann Ihnen beim Schwimmen ja nichts passieren. Trotzdem sehe ich es nicht gern, daß Sie das Haus verlassen.«
»Ach, Unsinn, Mr. Cotton«, sagte sie lächelnd. »Sie und Ihr Freund sind ja in meiner Nähe. — Da fällt mir ein. Sie wollten mir doch beibringen, wie man einen richtigen Kopfsprung macht.«
»Also gut.« Ich gab mich geschlagen. »Ich hole meine Badehose.«
Die Frau eilte zwischen den Bäumen hindurch zum Schwimmbecken, und ich stieg hinauf in mein Zimmer. Ich schlüpfte in die Badehose, hing meinen Anzug auf einen Bügel und legte Hastings Colt, den ich immer noch in der Tasche hatte, auf den Tisch. Dann trat ich zum Fenster und blickte hinaus.
Durch eine Lücke zwischen den Bäumen sah ich den Swimmingpool.
Eileen stand auf dem Sprungturm und reckte sich auf die Zehenspitzen. Sie wandte mir den Rücken zu. Bis jetzt war
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