0326 - Dämonen-Paradies
materialisierten sich die Dämonen.
Eingekreist hatten sie mich. In ihrer ganzen Scheußlichkeit sah ich sie vor mir. Die Ahnen einer längst vergessenen Zeit und gleichzeitig die Werkzeuge der Hölle.
Sie taten mir nichts, denn sie warteten. Auch als ich weiterging, dachten sie nicht daran, mich zu stoppen.
Aber sie sprachen.
Flüsternde, wispernde Stimmen erreichten meine Ohren, und es war praktisch ein Abschied, den sie mir auf ihre Art und Weise sangen. »Wir ziehen uns aus dem Paradies zurück, Fremder. Es ist nichts mehr für uns. Weg aus dem Paradies der Dämonen. Das Schloß es ist…« Ich hörte ein Lachen, sah wieder die Nebelwolken, dann waren die Gestalten verschwunden.
Sie hatten mich reingelegt. Ich machte mir Vorwürfe, sie nicht angegangen zu sein, aber was nutzte es, sie hatten sich freiwillig in ihre Jenseitswelt zurückgezogen. Da konnten sie meinetwegen bleiben. Ich war gekommen, um nach den Folgen zu schauen, die ein grauenvoller Mörder hinterlassen hatte.
Deshalb ging ich auf die Treppe zu.
Jeder Schritt bedeutete für mich einen seelischen Schmerz, da ich auf das Schlimmste gefaßt war. Der Henker hatte mit Schwert und Axt gearbeitet. Wenn ich mir vorstellte, wie wehrlos die Menschen ihm ausgeliefert waren, hätte ich fast durchgedreht.
Und so schritt ich auf die Treppe zu. Voll trüber Gedanken, die einfach nicht weichen wollten.
In der Luft lag noch ein Hauch des Parfüms, das eine gewisse Mrs. Walker benutzt hatte. Es war schon seltsam, daß ich noch solche Eindrücke wahrnahm, obwohl ich unter einer so starken innerlichen Spannung stand.
Noch wenige Yards bis zur Treppe. Ich setzte meine Schritte leise.
Vielleicht aus dem Respekt vor den Toten.
Da hörte ich etwas.
Auch Schritte!
Und zwar oben vom Gang her.
Augenblicklich blieb ich stehen. Es rieselte über meinen Rücken. Den Atem hatte ich angehalten und dachte darüber nach, wer diese Person wohl sein konnte?
Conrad nicht mehr.
Einer der Gäste!
Die Schritte wurden lauter. Ihre etwas dumpfen Laute unterbrachen meine Gedanken.
Ich ging so weit vor, bis ich am Fuß der Treppe stand und dicht vor der ersten Stufe stehenblieb. Die Beretta hatte ich wieder weggesteckt.
Das Kreuz ebenso. Ohne eine Waffe zu halten, stand ich da und schaute die breiten Stufen hoch.
Lauter wurden die Tritte.
Leider brannte am Ende der Treppe zu wenig Licht. Ich konnte kaum etwas erkennen, weil der Absatz und der Eingang des Gangs in der Düsternis verschwammen.
Es kam jemand.
Ich sah die Umrisse. Da schien sich die Dunkelheit plötzlich zu bewegen, etwas kristallisierte sich hervor, und im nächsten Augenblick sah ich die Person, die vor der obersten Stufe stehenblieb.
Meine Augen wurden groß, denn in diesem Moment brach praktisch eine Welt für mich zusammen.
Ich sah das Beil, das die Person in der Hand hielt und glaubte, etwas von der Klinge tropfen zu sehen.
»Ich grüße dich, John Sinclair!«
Kalt und höhnisch klang die Stimme. Und gesprochen hatte diejenige, die mich eingeladen hatte.
Maxi Mandix!
Sie also war der Killer!
Nicht Conrad, wie ich angenommen hatte. Er war nur ein Diener, ein wirklicher Leibwächter gewesen, aber kein Macher oder Täter.
Nein, Maxi Mandix!
Schon oft im Leben war ich von gewissen Vorgängen überrascht worden. Dieser hier gehörte zu den stärksten. Das war fast wie damals, als ich entdeckt hatte, daß sich unter der Kapuze des Schwarzen Henkers Jane Collins verbarg. [1]
So ähnlich fühlte ich mich hier.
»Überrascht, John?« fragte sie.
»Das kann man wohl sagen!« Bei dieser Antwort erkannte ich meine eigene Stimme kaum wieder.
Maxi lachte leise. »Ich kann mir vorstellen, daß dir so etwas quergeht. Aber du mußt dich mit den Tatsachen abfinden, Geisterjäger. Tut mir leid für dich.«
Ich nickte und wollte den Kopf schütteln. So durcheinander war ich selten gewesen. Dann breitete ich die Arme aus. Fast hilflos wirkte die Geste und ein kaum zu verstehendes »Warum?« drang über meine Lippen.
Sie hatte mich trotzdem verstanden, »Warum? Es ist ganz einfach. Man hat mich umgedreht.«
»Wer?«
»Conrad.«
Ich hob die Schultern.
Maxi sagte: »Entweder kannst oder willst du mich nicht verstehen. Aber gut, ich erkläre es dir. Als ich dir den Brief schrieb, steckte ich noch voller Angst. Ich wußte, daß mein Interesse an dämonischen Vorgängen auf eine gewisse Art und Weise erblich bedingt war. Ich wußte auch, daß ich an der Reihe war. In jedem Jahrhundert hat es in unserem
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