033 - Die Herberge der 1000 Schrecken
Bewußtlosen frei.
Ein Geräusch schreckte ihn auf.
Es kam aus der Nähe des massiven Eichenschrankes. Wie der Blitz
war Sokalla auf den Beinen, mechanisch seine blutverschmierten Hände an der
Hose abwischend. Er griff nach dem schweren, bronzenen Ascher, der auf dem
kleinen Messingtisch stand, und näherte sich dem Schrank.
Ohne zu überlegen, riß Sokalla die Schranktür auf. Er starrte in
das düstere Innere. Ein paar Anzüge, Hemden und Hosen hingen an der Stange. In
dem von der anderen Tür halbverdeckten Fach lag die Unterwäsche.
Mit dem Fuß stieß der Deutsche die Schranktür heftig zurück, daß
sie krachend gegen das Schloß knallte. Im gleichen Augenblick nahm er auch die
Bewegung links von sich wahr.
Ein kühler Luftzug streifte sein Gesicht. Sokalla sprang sofort
nach vorn und griff in die schattige Ecke. Er fühlte die fingerdicke Erhebung
über der Wand und und zog die schmale Tür auf. Eine Tapetentür!
Hatte hier jemand gestanden und ihn beobachtet? Erregung ergriff
ihn, Neugierde trieb ihn in den dunklen Schacht, der so schmal war, daß er sich
querstellen mußte, um durchzukommen. Die Nische, die er zunächst passiert
hatte, dehnte sich zu einem langen, kerzengerade nach vorn führenden Gang aus.
Der Schacht lief unmittelbar an der Außenmauer entlang. Er wurde manchmal so
niedrig, daß Sokalla sich bücken mußte, um weiterzukommen. Er begriff, warum
dies so sein mußte. Auf dieser Seite waren die Fenster, die zum Hof führten.
Kein Mensch würde auf den Gedanken kommen, daß sich unterhalb der Fenster der
Gang bewegte, der zu einer Geheimtür führte.
Es war kühl, aber er fror nicht. Unwillkürlich preßte er den
bronzenen Ascher in der Rechten, bereit, mit diesem schweren Gegenstand
zuzuschlagen, wenn es um sein Leben gehen sollte.
Er drückte die schmale Klinke. Die Tür wich lautlos vor ihm
zurück. Er starrte in den dunklen Hof, der wie ein Quadrat, das man aus dem
Berg herausgeschnitten hatte, hinter der alten Herberge lag.
Peter Sokalla hörte Schritte. Kleine Steine rollten über einen
Weg. Gehetzt blickte er sich um.
»Halt!« rief er. »Stehenbleiben!« Ohne zu überlegen, rannte
Sokalla quer über den Hof, nur mit Pyjamahose und Hausschuhen bekleidet.
Sokalla erreichte den Pfad und rannte den steinigen Weg hoch. Er
verfügte über Kraft und Ausdauer, und man sah seinem Körper an, daß er
sportliche Betätigung gewohnt war.
Doch dann wurde sein Lauf etwas langsamer. Der Weg stieg steil an.
Sokalla nahm sich vor, bis zu dem großen Felsblock zu gehen. Wenn
er dort nicht auf den Fremden traf, dann würde er den Rückweg antreten.
Steine rollten unter seinen Füßen weg. Steine kamen auch von oben.
Der vor ihm floh, schien zu versuchen, weiter in das Gebirge hineinzukommen, in
der Hoffnung, seinen Verfolger abschütteln zu können. Er hatte ausreichend
Chancen dazu.
Die blonden Haare des Deutschen klebten auf der schweißüberströmten
Stirn. Er merkte nicht den kühlen Wind, der wehte und in den Felsspalten pfiff.
Er erreichte den Felsblock und bog vorsichtig um ihn herum. Links gähnte ihm
die Tiefe einer Felsspalte entgegen.
Da waren die beiden Hände vor ihm. Zwei graue lange Hände.
Es ging alles so schnell, daß er die Dinge gar nicht mehr begriff.
Der Stoß gegen die Brust erfolgte so heftig, daß er sofort das Gleichgewicht
verlor.
Er ließ den Ascher noch los, doch seine Hände griffen ins Leere.
Er verlor den Boden unter den Füßen.
Sein gellender Aufschrei hallte durch die Nacht, verlor sich in
der Tiefe des Gebirges, in den zahllosen Felslöchern und Spalten und verebbte
...
Peter Sokalla merkte nicht mehr, wie sein Körper aufschlug.
Schon am nächsten Tag wurde der zerschmetterte Körper Peter
Sokallas von zwei Bergwanderern gefunden. Die beiden Männer benachrichtigten
eine Polizeidienststelle in Córdoba. Peter Sokalla wurde geborgen. Sein
Tod schien von merkwürdigen Umständen begleitet gewesen zu sein.
Weshalb war er nur mit einer Pyjamahose bekleidet? In diesem
Aufzug trat doch niemand eine Bergwanderung an?
Die Polizei in Córdoba machte sich ihre Arbeit wirklich nicht leicht.
Im Labor des Gerichtsmedizinischen Instituts war man indessen auf
eine erstaunliche Entdeckung gestoßen: Juan Torez hatte eine Blutuntersuchung
vorgenommen. Durch eine von ihm verursachte Fahrlässigkeit, die er sich später
nicht mehr erklären konnte, gerieten Spuren des Blutes von der Hand des Toten
auf den Untersuchungstisch. Juan Torez glaubte wenig später
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