0331 - Urwelt-Horror
staunte Nicole, die eigentlich vorgehabt hatte, die EDV-Anlage zu befragen.
»Ich weiß, wie ich es mit Llewellyn-Magie mache«, sagte der Lord.
»Verlaß dich auf mich, ich kriege das schon geregelt. Und jetzt brauche ich…«
Er begann die lange Liste herunterzuleiern, und Nicoles Gesicht wurde länger und länger, blasser und blasser, je mehr der Lord forderte.
Als sie endlich alle Kräuter und sonstige Zutaten hatten, war Mitternacht vorbei, und Nicole zweifelte allen Ernstes daran, daß der Lord wirklich eine weißmagische Beschwörung vornehmen wollte.
»Warte ab und sieh zu«, verlangte er schließlich. »Du greifst nur ein, wenn es wirklich unumgänglich ist. Ich möchte dich nicht in Gefahr bringen. Aber schreite auch nicht zu früh ein. Du wirst mich sehr genau überwachen müssen, um zu erkennen, ob eine echte Todesgefahr vorliegt oder nur eine Bedrohung, die ich selbst abwenden kann.«
»Wasch mir den Pelz und mach mich nicht naß, oder wie hieß dieser dämliche Spruch noch gleich?« gab Nicole mißmutig zurück. »In Ordnung, ich sehe zu, was passiert. Ich hoffe, daß ich nicht eingreifen muß.«
Und der Lord begann mit seiner Beschwörung.
***
Zamorra stellte fest, daß man ihn angekettet hatte. Er lag in einem brütend heißen Zelt auf hartem Lehmboden. Eisenschellen lagen um sein Fußgelenk, das linke Handgelenk und seinen Hals, und von diesen Schellen führten Ketten zu der großen Stange, die das Zelt emporhielt und in der Mitte aufragte. Es war aussichtslos, hier einen Fluchtversuch zu unternehmen. Zamorra hätte dazu schon das komplette Zelt abbrechen müssen.
Zamorra war auch nicht der einzige, den man hier befestigt hatte. Da waren noch fünf andere Männer und Mädchen zwischen sechzehn und fünfundzwanzig Jahren, kaum oder nur mit abgerissenen Fetzen bekleidet.
Einige trugen Brandzeichen. Zamorra begriff, daß sie alle in der Gewalt eines Sklavenhändlers waren.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt!
Er hörte draußen die Stimme eines Mannes, der Menschen als Waren anpries. Hin und wieder knallte ein Peitschenhieb, aber kein Schrei folgte.
Offenbar wurde nur in die Luft geschlagen, um durch das Knallen Aufmerksamkeit zu erregen. Zamorra nickte bitter. Peitschenspuren auf einem Sklavenrücken sind kein verkaufsförderndes Argument…
Die Sklavenjäger hatten ihn also mitten auf dem Markt einfach erwischt.
Offenbar waren sie sicher, kein Risiko einzugehen. Kein Bürger dieser Stadt würde körperlich nackt durch die Straßen stürmen und sich in Sicherheit zu bringen versuchen. Möglicherweise hielten sie ihn für einen entsprungenen Sklaven, und dann war es eben ganz normal, daß sie ihn »wieder« einfingen – und Profit zu machen versuchten.
In Rhonacon konnte er sich somit schwerlich befinden. Khysal, wahrscheinlich aber Grex kamen in Frage.
Noch ehe er seinen Mitsklaven Fragen stellen konnte, tauchte ein hünenhafter, sonnenverbrannter Muskelberg mit kahlem Kopf auf. Der Mann war über und über tätowiert, teilweise mit dämonenbannenden, zum anderen mit recht obszönen Zeichnungen. Er marschierte auf Fellstiefelsohlen direkt auf Zamorra zu, schloß die Ketten an der Zeltstange auf und zerrte den Parapsychologen mit einem heftigen Ruck hoch.
Zamorra gab der Bewegung noch mehr Schwung und rammte mit dem Kopf in den Leib des Hünen. Der Muskelmann ächzte, knickte in der Mitte zusammen und stieß noch einen würgenden Laut aus. Aber dann flog sein Knie förmlich hoch.
Zamorra hatte keine Chance. Er wurde voll erwischt. Als nächstes handelte er sich noch zwei schallende Ohrfeigen von den baggerschaufelähnlichen Pranken des Hünen ein, daß er glaubte, ihm werde der Kopf abgerissen.
Halb blind vor Schmerz folgte er dem heftigen Zug der Ketten. Der Hüne dirigierte ihn wie eine Marionette und zerrte ihn nach draußen ins Sonnenlicht, eine Treppe hinauf und auf ein Podium. Dort wurde gerade ein anderer Sklave mit einem neuen Kragen versehen und fortgebracht; ein Unglücklicher hatte einen neuen Besitzer gefunden.
»Du bleibst hier stehen«, herrschte der Hüne Zamorra an. »Rührst du dich vom Fleck, stirbst du. Sklaven, die flüchten, sind wertlos. Merke es dir gut.«
Zamorra beschloß, den Rat zu beherzigen. Er sah einige bewaffnete Männer rechts und links neben der hölzernen Bühne stehen; sie würden nicht lange fackeln, sondern ihn töten. Er war hier, um verkauft zu werden und Profit zu bringen, aber der Sklavenhändler schien genau zu wissen, wo die Grenzen
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