0331 - Urwelt-Horror
schätzte, erreichten sie einen murmelnden Bach. Über dem Wasser tanzten Insekten. Monica versuchte, sich so sparsam wie möglich zu bewegen, um nicht durch erhöhte Schweißproduktion die Insekten auf sich aufmerksam zu machen. Dennoch wurde sie einige Male attackiert, so lange, bis der Echsenmann wie beiläufig ein paar Farne ausrupfte und sie ihr gab.
»Du waschen«, sagte er und machte die Geste des Einreibens.
Sie »wusch« sich mit den Farnzweigen, beziehungsweise rieb sich mit dem ausgepreßten Saft ein und hatte fortan Ruhe vor den Insekten.
Chraa wurde ihrer auf seine eigene Weise Herr: er schnappte nach ihnen und verschluckte sie, vom kleinen Moskito bis zur handspannengroßen Libelle.
Sie folgten dem Bach bis zu seiner Quelle. Das Wasser war erfrischend klar, und Monica trank aus den hohlen Händen. Am liebsten hätte sie ein wenig bachabwärts versucht, sich Schweiß und Pflanzensaft vom Körper zu waschen, aber das hätte ihr nur wieder Ärger mit den Insekten eingebracht.
Von irgendwoher organisierte Chraa halbwegs trockenes Holz und setzte ein kleines, stark qualmendes Feuer in Brand, während die Dämmerung kam. Monica hatte Zeit, über ihn nachzudenken. Vorhin, bei der Falle und im Flugzeug, war er ihr Gegner und Wächter gewesen. Jetzt stand er ihr neutral, vielleicht sogar wohlwollend gegenüber. Lag es daran, daß er allein war, daß auch der Mann in der Toga fehlte?
Sie fragte ihn vorsichtig danach.
Eine ausgiebige Unterhaltung resultierte daraus, in der der Echsenmann die Worte der menschlichen Sprache immer besser zu formen verstand; er lernte offenbar durch das häufige Üben. Monica erfuhr, daß Chraa und seine Gefährten Kriegssklaven der Menschlichen waren. Sie waren Kämpfer und Diener, wurden sogar Drachensklaven genannt. Sie hatten sich in einem Gebiet entwickelt, das »Sümpfe der Verzweiflung« genannt wurde – von den Menschen dieser Welt! Die Echsen nannten sie »das feuchte Glück«. Irgendwann hatten die Menschen es geschafft, die Echsen mittels Magie zu versklaven.
Der Mann in der blauen Toga sei ein hoher Adliger von Grex, der immer wieder auf Menschenfang ausgehe, um Feinde des Landes und des Gottes Delta zu fangen und den Priestern als Opfer zu verkaufen. Warum er ausgerechnet im Dschungel eine Falle aufgestellt hatte, konnte Chraa nicht sagen, aber offenbar hatte der Toga-Träger, Rim Salta, auf andere Opfer gewartet. Daß an deren Stelle Monica aufgetaucht war, war Zufall.
Monica horchte auf.
»Grex? Den Namen kenne ich. Bin ich etwa in der Straße der Götter angekommen?«
»So nennt man diese Welt. Du mußt von weither kommen, daß du es nicht weißt.«
Monica versuchte sich ein Bild zu machen von dem, was sie von Zamorra wußte. Er hatte einige Male von seinen Abenteuern in der Straße der Götter erzählt, und Monica hatte sich das Taschenbuch eigentlich nur deshalb gekauft, weil sie die romanhafte Schilderung mit der geschilderten Wirklichkeit vergleichen wollte.
Ein Gott, der Delta hieß, war ihr unbekannt. Von Zamorra kannte sie die Namen der regierenden Götter und Dämonen in OLYMPOS und ORTHOS.
Das aber waren plötzlich für Chraa unbekannte Begriffe. Weder den Namen ORTHOS noch den des Götterhortes hatte er jemals vernommen.
»Aber ich denke, wir befinden uns im Land Grex? In Grex befindet sich weit in den Bergen der ORTHOS, das Dämonennest in der Tiefe…«
»Du müssen irren«, beharrte Chraa.
Schließlich gab sie es auf, mit ihm darüber zu diskutieren. Sie wollte vielmehr wissen, wie es jetzt weitergehen sollte.
»Ich vielleicht frei«, sagte Chraa. »Wenn viel Glück, dann ist Rim Salto tot. In Fliegemaschine verbrannt. Ich zurück nach Khysal und ins feuchte Glück. Du? Khysal oder Rhonacon.«
Die Ländernamen stimmten wiederum. Aber das Flugzeug war irgendwie fehl am Platz. Von Zamorras Schilderungen her wußte sie, daß es wohl fliegende Teppiche und Kriegsschiffe mit Laserkanonen gab, aber Flugzeuge waren in der Straße der Götter doch unbekannt.
Hier stimmte zu viel nicht.
Sie begann zu befürchten, daß sie in eine Art Parallelwelt verschlagen worden war, die nur so ähnlich aufgebaut war wie die SdG, oder – in eine falsche Zeitepoche. Aber da fehlten ihr die Vergleichswerke. Sie kannte keine Jahreszahlen, die ihr in der Gegenwart als Bezugspunkt hätten dienen können. So konnte sie nicht sagen, ob sie in die Vergangenheit oder in die Zukunft geschleudert worden war.
Sie begann Chraa über sein Weltbild auszuhorchen. Und ihr
Weitere Kostenlose Bücher