0332 - Besuch beim Geisterhenker
den Rücken!« hetzte Betty.
Auch sie war völlig verändert. Das Böse hielt sie fest in seinen Klauen. Dafür hatte der Trank schon gesorgt.
»Ja, die Idee ist gut.« Rita nickte.
T.C. Markham hatte die Worte gehört. Er blieb stehen und drehte sich um. »Niemand schießt auf den anderen«, erklärte er. »Erst wenn ich es befehle. Noch bin ich der Herr, und ich habe auch vor, es zu bleiben. Verstanden?«
Die sechs nickten.
»Dann bin ich beruhigt.« Er lächelte. »Wir sind sowieso gleich da. Dann werdet ihr den Raum betreten, wo Abbot gewütet hat. Alles ist noch vorhanden, die Geräte stehen bereit, man braucht sie nur mehr zu aktivieren. Und das ist geschehen.«
»Was sind es für Geräte?« fragte Patrick beinahe gierig.
»Hier arbeitete der Henker.«
»Der Galgen«, stellte Lady Sarah fest.
»Ja, der Galgen. An ihm werdet ihr hängen. Ihr könnt euch auch köpfen lassen, ganz wie es beliebt.«
»Und wer hängt wen?«
»Abbot wartet schon. Er war einer der großen Henker. Dabei arbeitete er für die Burlingtons, eine adelige Familie, die stolz darauf war, ihren Henker irgendwann einmal ausleihen zu dürfen. Abbot machte das Töten Spaß. Er freute sich über jeden Delinquenten. Er hängte Männer und Frauen auf. Manchmal ließ er sie sogar wählen. Einige entschieden sich für den Strick, die anderen für die Guillotine. Das war ganz unterschiedlich. Was rede ich, das werdet ihr alles noch zu Gesicht bekommen. Und wenn ihr hin und wieder das Gerassel von Ketten hört, macht euch nichts daraus. In diesem Haus spuken noch mehr. Der Duke of Burlington, der sein Leben in Ketten verbracht hat, und dessen Geist noch herumirrt, besucht uns ab und zu. Er haßte den Henker, aber sein Bruder liebte ihn. Deshalb ließ er auch den Duke in Ketten legen. Töten wollte er ihn nicht. Die andere Strafe war schlimmer.« Markham deutete in die Runde. »Wer in diesem Haus steckt, erlebt das Böse. Er empfindet die schrecklichen Gedanken, die in den Mauern wohnen und auch ihn erfassen. Behaltet euch gegenseitig im Auge. Ihr habt den Trank des Folterknechts zu euch genommen und werdet nun bald die Früchte ernten.«
Es waren die letzten Worte des Reiseführers. Danach ließ er das House of Horror und dessen Kräfte auf die Menschen wirken. Er ging nur mehr die Schritte, die gegangen werden mußten, denn er wollte die große Doppeltür erreichen, die den Gang begrenzte.
Dort blieb er stehen und drehte sich noch einmal um. Eigentlich hatte er nicht mehr reden wollen, er tat es dennoch, nur hatte er seine Stimme gedämpft, so daß sie zu einem Flüstern wurde.
»Hinter dieser Tür liegt das Zentrum«, wisperte er. »Eine Hölle für sich, denn hier haben sich die Kräfte der Schwarzen Magie erhalten. Da werden die früheren Jahrhunderte lebendig, das Grauen ist nicht gestorben, es wacht weiterhin, und ihr werdet in diesen Strudel hineingeraten und euch ebenfalls wünschen, Böses zu tun. Abbot, der Henker, ist zurückgekehrt. Er wartet auf euch.«
Bevor T.C. Markham die Tür noch einmal aufstieß, schaute er die Gäste der Reihe nach an. Auch sein Gesicht hatte einen bösen Ausdruck angenommen. Die Lippen zuckten, wenn er sie zu einem Grinsen in die Breite zog, dann drückte er die schwere Klinke, stieß die Tür auf, und seine Gäste betraten eine andere Welt…
Die Welt des Schreckens!
Sie hüllte sie ein, sie umfing sie wie ein Krake, der seine langen Arme ausgestreckt hatte. Es war eine Welt des Lichts und der Schatten. Sie glühte in einem tiefen Rot, war gleichzeitig so klar, daß die Menschen sehen konnten.
Wer von der Tür aus den Blick nach vorn warf, schaute nicht nur auf ein höher gelegenes Podest, auch nur auf die Wand dahinter.
Und er konnte das Gefühl bekommen, eine lebende Wand vor sich zu haben, denn jenseits des hochgereckten Galgens waberte die Gluthölle.
Aufgemalt konnte es nicht sein, denn die Farben bewegten sich.
Sie bildeten Kreise und Schlieren. Schlangenlinien und Wellen. Alles in einem gefährlich anzusehenden düsteren Rot.
Horror-Atmosphäre.
Das rote Licht war jedoch so klar, daß sich der Galgen scharf und deutlich vor ihm abheben konnte. Das Gerüst des Schreckens, das die Jahrhunderte über soviel Angst und Panik verbreitet hatte und in der Gegenwart zu den Museumsstücken gehörte, verfehlte auch die Wirkung auf die Ankömmlinge nicht. Sie standen da und staunten.
Der Galgen erinnerte an einen hölzernen Hals, der seinen Kopf vorgeschoben hatte. Er war innerhalb des Podestes
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