0332 - Besuch beim Geisterhenker
befestigt worden, reckte sich in die Höhe, und der Teil, an dem die Schlinge hing, sah aus wie ein steifer Arm.
Ein furchtbares Bild, das den Menschen Schauer über die Haut trieb.
Auch sie, die den Keim des Bösen in sich spürten, blieben nicht unbeeindruckt.
Ihre bleichen Gesichter bekamen, als sie näherkamen, eine rötliche Farbe. Das Licht breitete sich aus, es wirkte wie große Flecken aus dünnem Blut.
Glatt war der Boden. Düster und kalt. Die Steine lagen fugendicht nebeneinander.
Die Augenpaare konzentrierten sich auf die Schlingen. Sie war sorgfältig geknüpft worden. Obwohl kein Wind diesen unheimlichen Raum durchwehte, bewegte sich die Schlinge, als würden unsichtbare Hände sie führen. Sie befand sich genau über dem Schemel, der ebenfalls auf dem Podest stand und der dafür vorgesehen war, denjenigen als Hilfe zu dienen, die nicht groß genug waren, um ihre Köpfe in die Schlinge zu stecken.
Weiter hinten glühte die Wand in ihrem unheimlichen Feuer. Eine Mischung aus roten und gelben Flammen, denn sie sollten das Höllenfeuer andeuten.
Niemand der Gäste bemerkte, daß sich T.C. Markham verzogen hatte.
Er war auf leisen Sohlen verschwunden und hatte seine Besucher der Atmosphäre des Bösen überlassen.
Sie standen da, schauten und warteten.
Und sie merkten, daß die anderen Kräfte stärker wurden. Das Getränk, das sie zu sich genommen hatten, zeigte Wirkung. Gerade in dieser schlimmen Atmosphäre drang es hoch und überrannte sie wie eine große Welle.
Die Gewalt wollte sich freie Bahn verschaffen.
Es begann mit Rita!
Bevor sie einer der anderen aufhalten konnte, sprang sie zurück.
Dabei öffnete sie ihre Tasche und riß die vernickelte Pistole hervor, die sie in der Hand hielt und im Halbkreis schwenkte, denn in einer solchen Formation standen die anderen vor ihr.
»Na?« fragte sie mit einem höhnischen Unterton in der Stimme.
»Wie geht es euch jetzt?«
Keiner gab Antwort.
»Soll ich euch killen?«
»Wir werden dich erwürgen, du Schlange!« Betty spie die Antwort der jüngeren Frau entgegen und erntete nur mehr ein Lachen.
»Ich nehme ihr die Waffe weg!« sagte Patrick.
»Nein!« Scharf klang der Befehl. Rita sprang zurück und richtete die Mündung auf den jungen Mann.
Er wurde von den anderen eingerahmt. Sie alle – Lady Sarah eingeschlossen –, bedachten Rita mit kalten Killerblicken. Wenn es darauf ankam, würden sie die Frau packen und an den Galgen schleifen.
Ein jeder von ihnen spürte die bösen Gedanken, denen die entsprechenden Taten folgen sollten.
»Wer mich anrührt, wird erschossen!« flüsterte Rita.
»Was hast du für einen Grund?«
»Nur so.«
»Das gibt es nicht«, sagte Lady Sarah.
Rita lachte. »Für mich schon. Spürt ihr es nicht selbst? Merkt ihr nicht, wie die Gedanken sich selbständig machen, aber gleichzeitig von dem Bösen geleitet werden? Nein, das könnt ihr nicht merken, das ist unmöglich.« Sie schüttelte den Kopf und redete wirr. »Aber ich zeige euch, wer hier zu sagen hat. Ich werde euch der Reihe nach abschießen.« Sie kicherte hohl. »Vielleicht auch nur verletzen und euch danach zum Galgen schleifen. Dann stecke ich eure Köpfe in die Schlinge und…«
Clive sprang vor.
Er wirkte im Moment des Absprungs wie ein großer Vogel, weil er die Arme ausgebreitet hatte. Durch die Bewegung brachte er sich zwischen Rita und die anderen. Wenn sie jetzt schoß, konnte sie nur einen treffen.
Sie drückte ab.
Fast bösartig peitschte die kleine Waffe in ihrer rechten Faust auf.
Es klang wie das Bellen eines kleinen Hundes, nur war es wesentlich gefährlicher, denn die Kugel traf.
Clive bekam sie mit. Die anderen sahen nichts, weil er ihnen den Rücken zudrehte, aber sie hörten den ächzenden Laut, der aus dem Mund des Mannes drang.
Dann fiel er.
Sein Körper bewegte sich noch, bis er auf dem Rücken liegenblieb.
Ein jeder konnte die weit aufgerissenen Augen sehen.
Augen, in denen kein Leben mehr stand.
Tote Augen…
Und zwischen ihnen, wo die Stirn eine glatte, helle Fläche bildete, befand sich ein kleines Loch mit einem roten Rand. Dort hatte Clive die Kugel erwischt.
Die anderen sahen es. Auch Patrick schaute in das Gesicht seines toten Freundes.
Und er tat nichts.
Beinahe teilnahmslos nahm er die Tatsache hin, daß jemand seinen Freund umgebracht hatte. Er selbst war vom Flair des Bösen erfüllt, das seine Gedanken leitete.
Rita, die Mörderin, begann zu lachen. Es war ein schrilles Kreischen, das ihren Mund
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