0334 - Aufruhr in der Unterwelt
beziehen. Zuerst möchte ich feststellen, ob Herreira der Geschäftsführer oder wirklich der Boß ist. Das müßten wir bei der Handelskammer und vielleicht auch beim Finanzamt erfahren können. Zweitens geht mir die Geschichte mit der roten Bess nicht aus dem Kopf. Ich werde sofort in ihre Wohnung fahlen und mich davon überzeugen, daß alles mit ihr in Ordnung ist.«
»Dann erledige ich inzwischen das andere«, meinte mein Freund. »Fangen wir also mit dem Finanzamt an. Ich habe dort einen Bekannten, der mir schon mal einen Gefallen tut.«
Wir trennten uns also. Phil fuhr zur Houston Street zu seinem Freund vom Finanzamt und ich nach Greenwich Village zu Bess.
Meinen Jaguar ließ ich wieder an der Ecke der Gasse stehen und ging zu Fuß weiter.
Ein anderer war weniger vorsichtig gewesen. Er hatte seinen Chrysler genau vor dem Haus geparkt, in dem Bess Lee wohnte. Der Wagen füllte genau den Zwischenraum zwischen den beiden Häuserreihen aus, so daß man sich nur mit Mühe vorbeidrücken konnte.
Die Künstlerpension von Mrs. Mildred Snoop befand sich im dritten Stock. Einen Aufzug gab es natürlich nicht, und so machte ich mich an die Kletterpartie.
Ich hatte den ersten Stock gerade erreicht, als ich von oben laute Stimmen hörte. Es war die grobe eines Mannes und die zweier Frauen. Ich glaubte, Bess zu erkennen, und beeilte mich.
Irgend etwas schien vorzugehen, und zwar nichts Erfreuliches. Dann plötzlich ertönte ein heller Schrei, der Mann fluchte so gemein, wie nur ein Mexikaner fluchen kann, eine Tür knallte, und eine Scheibe splitterte. Dann polterten Schritte auf der Treppe, aber sie kamen nicht auf mich zu, sondern entfernten sich nach oben. Da war irgend etwas nicht in Ordnung.
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, jagte ich hinauf. Die Tür zur Wohnung im dritten Stock war offen, die Milchglasscheibe zerbrochen. Eine ältere Frau, die ich für die Pensionswirtin hielt, lehnte am Türrahmen. Sie konnte kein Wort herausbringen, sie deutete nur nach oben, wo das Poltern sich irgendwo verlor.
In der vierten Etage waren keine Wohnungen mehr. Ich befand mich im Dachgeschoß. Eine Brettertür war geöffnet. Nur durch ein paar Dachfenster, die außerdem schmutzig waren, fiel mattes Licht. Eines dieser Fenster stand offen. Und davor erkannte ich den roten Haarschopf von Bess, die mit einem Mann rang.
»Stop!« schrie ich und griff nach der 38er, aber ich ließ sie stecken.
Ein Messer blitzte. Bess schrie wieder gellend, riß sich los und sprang kopfüber durch das geöffnete Fenster.
Nur eine Sekunde später prallte ich gegen den Mann. Er taumelte zurück, aber er schaffte es noch, mir den linken Ärmel aufzuschlitzen. Ich schlug zu, aber der Schwinger glitt ab und knallte, statt das Kinn zu treffen, gegen sein Ohr. Er heulte vor Wut und Schmerz, und dann hatte er an Stelle des Messers eine stupsnäsige Automatic in der Hand.
Ich packte sein Handgelenk und drehte die Waffe aus der Schußrichtung, aber der Kerl war glatt wie eine Schlange. Ein Schuß peitschte dicht an meiner Nase vorbei. Ich stolperte und riß ihn mit zu Boden.
Zu meinem Pech war er auf mich gefallen und packte mich mit der Linken an der Kehle, während er versuchte, seine rechte Hand, die ich immer noch umkrampft hielt, mit der Waffe in die richtige Lage zu bringen.
Die Luft blieb mir weg. Während mir schon das Blut in den Kopf stieg und ich anfing, Sterne zu sehen, griff ich mit beiden Händen zu. Gleich würde er die Waffe fallen lassen, und dann konnte er sich auf was gefaßt machen. Der Bursche hatte unheimliche Kräfte, aber langsam, Millimeter für Millimeter, drehte ich ihm das Handgelenk um.
Ein Knall, und im gleichen Augenblick hörte der Widerstand auf. Die Waffe fiel auf den Boden. Meine Kehle war frei. Ich sprang auf die Füße, bereit, sofort erneut zum Angriff vorzugehen. Aber er rührte sich nicht. Die Kugel seiner eigenen Pistole war ihm genau in die Stirn gegangen.
Ich mußte mich um Bess kümmern und lief, so schnell ich konnte, die Treppen hinunter. Vor der Haustür stand ein Menschenknäuel genau vor dem Kühler des Chrysler.
Einer drehte sich um und schrie: »Da kommt er, der Schuft!«
Wäre ich nicht schnell in den schützenden Flur zurückgesprungen, hätte man mich wahrscheinlich gelyncht. Erst die Pensionsmutter befreite mich aus der peinlichen Situation.
Bess Lee lag vor den Vorderrädern des Chrysler auf dem Pflaster. Äußerlich zeigte sie keine Verletzung. Aber der unnatürliche Winkel, in dem
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