0334 - Der Hexenspiegel
Zamorra hatte soeben den dritten MÄCHTIGEN getötet. Das gab der ZEITLOSEN zu denken.
Hatte sie etwas in der Struktur des Kosmos gewandelt? Wandte sich die Natur jetzt gegen die MÄCHTIGEN! Oder hatte sich jener Zamorra selbst gewandelt? Die ZEITLOSE wollte es herausfinden. Sie mußte es herausfinden, denn es war auch für sie ein existentielles Problem. Sie mußte mehr über Zamorra, sein Umfeld, seine Art zu leben, seine Verbündeten erfahren.
Aber zunächst mußte sie ihn im Strom der Zeit finden.
Sie hielt in ihrer Reise inne. Es gab eine Möglichkeit, ihn aufzuspüren.
Sie wußte, daß sie sich ungefähr in der richtigen Zeitepoche aufhielt. Sie glitt aus ihrer zeitlosen Sphäre hinaus in die Welt der Menschen.
Sie hatte sich einen einsamen, abgelegenen Ort für ihr Vorhaben ausgesucht.
Es wäre nicht gut, wenn jemand sie überraschend erblickte.
Denn ihr Aussehen war doch zu ungewöhnlich, um vom menschlichen Verstand so einfach verarbeitet zu werden.
Mit raschem Flügelschlag schwang sie sich vom Rücken des Einhorns hinunter. Sie stand auf fruchtbarem, grasbewachsenem Boden. Ausgedehnte Wälder erstreckten sich ringsum, und unmittelbar vor ihr vernahm sie das Plätschern eines Baches. Nur wenige Meter entfernt sah sie einen kleinen Teich, dessen abfließendes Wasser sich dem Bach zugesellte.
Der Teich war genau das, was sie brauchte.
Sie trat an sein Ufer. Das Wasser war trübe, grünlich, von Algen durchsetzt.
Käfer liefen hastig über die Oberfläche. Hier und da kauerte eine Grille am Ufer zwischen den Gräsern. Irgendwo nahte sich hüpfend ein Frosch, um Beute zu suchen. Fliegen, Mücken und Wespen surrten, ein Schmetterling bewegte sich durch die Sträucher.
Das alles nahm die Zeitlose mit einem kurzen, schnellen Blick auf.
Das Leben im Teich störte sie. Es brachte zu viel Bewegung in die Oberfläche des Gewässers. Auch die Algen mußten verschwinden. Die Zeitlose kauerte sich am Ufer nieder, dann hielt sie eine Hand in das Wasser, das erfrischend kühl war.
Es war die linke Hand.
Ringsum begannen die Algen zu verdorren. Sie schrumpften und vergingen.
Die Insekten flohen, so rasch sie konnten, und verbargen sich.
Endlich war der Teich so, wie die Zeitlose ihn haben wollte.
Sie begann mit der Beschwörung des Dämons Vassago, der sowohl von der Schwarzen als auch von der Weißen Magie angerufen werden kann und zu Diensten steht. Nach einer Weile gab sich Vassago tatsächlich zu erkennen.
»Du, die du mich mit einem Siegel riefest, was begehrst du?« Mit keiner Regung gab er zu erkennen, über ihr Aussehen erstaunt zu sein oder sie gar zu erkennen. »Wisse, daß ich mich nur ungern stören lasse.«
Die Zeitlose lächelte.
»Ich weiß es. Jeder, der ein wenig von der Magie versteht, will sich deine Kunst zunutze machen und durch deinen Spiegel schauen. Aber mein Anliegen ist wichtig. Zeige mir jenen, der Professor Zamorra heißt.«
»Zamorra?« keuchte Vassago auf. »Was hast du mit ihm zu schaffen? Bist du ihm Freund oder Feind?«
»Weder, noch. Ich stehe ihm so neutral gegenüber wie du, Vassago«, erklärte die Zeitlose. »Doch ich muß wissen, wo ich ihn finden kann. Zeige ihn mir. Oder muß ich dich mit einem Zwang belegen?«
Vassago zögerte. Er versuchte, die Zeitlose einzuschätzen. Doch dann kam er wohl zu der Erkenntnis, daß es nicht gut sei, sich mit ihr im Bösen anzulegen. Zum einen stand er durch die Beschwörung teilweise in ihrem Bann, zum anderen ging etwas von ihr aus, das ihn tief berührte.
Und er wußte nicht, ob es Licht oder Dunkelheit war.
»So sei es denn«, sagte er.
Der Spiegel des Vassago erwachte. Auf der Oberfläche des Teiches – es hätte auch eine simple kleine Wasserschüssel sein können – begannen sich verwaschene Bilder abzuzeichnen. Die Zeitlose konzentrierte sich auf das Schwingungsmuster von Zamorras persönlicher Ausstrahlung.
Sie hatte es damals aufgenommen, aber sie war sich nicht sicher, ob sie ihn wirklich allein gefunden hätte. Deshalb nahm sie Vassagos Hilfe in Anspruch.
Der Dämon, der insgeheim hoffte, eines Tages wieder zum Licht erhöht zu werden, beobachtete sie stumm und lenkte seine Kräfte in den Spiegel. Die Bilder stabilisierten sich allmählich, wechselten nicht mehr so schnell. Und sie wurden klarer.
Schließlich blieb nur noch eines dieser Bilder.
Die Zeitlose sah ein Gesicht. Zamorra! Doch ein anderes Gesicht schob sich davor. Das seiner Gefährtin. Sie mußte etwas spüren. Viele weiße und hellgraue
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