0335 - Die goldenen Skelette
fragte auch: »Was soll ich denn da?«
»Warten.«
»Auf Sie?«
»Zum Beispiel. Sie müssen uns Rückendeckung geben. Man kann nie vorhersagen, was noch alles passiert, wenn Sie verstehen.«
»Ja, natürlich.«
»Gut. Ich gebe uns selbst drei Stunden. Sind wir bis dahin noch nicht zurück, unternehmen Sie etwas.« Aus der Tasche holte ich eine Visitenkarte hervor. »Versuchen Sie auf alle Fälle, diese auf der Karte aufgedruckte Nummer zu erreichen. Telefonieren Sie mit London, und sagen Sie, was hier geschehen ist.«
Der Pilot nahm die Karte und steckte sie weg. »Die Elektronik ist ja ausgefallen…«
»Dann schlagen Sie sich bis zum nächsten Ort durch. Irgendwo werden Sie ein Telefon finden.«
»Gut, das mache ich.«
Auf seinem Gesicht entdeckte ich Spuren der Erleichterung. Ricon war durch Zufall in diesen Fall hineingeraten. Wenn wir gegen schwarzmagische Kräfte kämpften, stand er auf verlorenem Posten und konnte für uns unter Umständen ein Hindernis bilden. Aus diesem Grunde wollten wir ihn aus der Gefahrenzone wissen.
»Noch Fragen?« erkundigte ich mich.
»Ja. Was ist mit der Frau in der Vitrine?«
»Auf sie müssen Sie achtgeben. Es kann eigentlich nichts schiefgehen, sie liegt in einer magischen Starre, die einem Tod schon relativ nahekommt. Da machen Sie sich mal keine Sorgen.«
»Wenn Sie das sagen.«
»Klar, viel Glück.«
Daniel Ricon ging. Sehr wohl war mir bei der Sache dennoch nicht, aber was sollte ich tun? Hier im Schloß behalten konnten wir ihn auch nicht. Er wäre unter Umständen ein zu großes Hindernis für uns gewesen. Suko und ich mußten die Sache allein schaukeln.
Ich schloß die Tür und drehte mich um.
Die beiden Canottis hatten sich nicht vom Fleck gerührt. Sie standen da und schauten mir entgegen.
»Dann hätte ich gern eine Besichtigung unternommen«, schlug ich lächelnd vor.
»Gut«, sagte Romano. »Ich kann Sie nicht davon abhalten. Aber ich möchte Sie warnen.«
»Wovor?«
»Sie werden sehen.« Mehr sagte er nicht. Er machte kehrt und schritt zur Treppe.
»Da nicht hin«, sagte Suko. »Wenn mich nicht alles täuscht, kam der Schrei von unten.«
Canotti drehte sich um. »Sprechen Sie von den Kellern?«
»Sehr richtig.«
»Dort lagert nur der Wein.«
»Davon möchten wir uns gern selbst überzeugen.«
»Wie Sie meinen. Soll mein Sohn mitgehen?«
»Es wäre bestimmt besser«, erwiderte ich.
Luigi nickte seinem Vater zu. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und nahm sie auch nicht hervor, als wir uns in Bewegung setzten. Zumindest ich hatte dabei ein sehr ungutes Gefühl.
Ich kam mir vor wie jemand, der in eine Falle gelockt werden sollte.
Romano Canotti übernahm die Führung. Da wir keinen Fremden in unserem Rücken haben wollten, ließen wir auch Luigi zwischen uns und ihn. So waren wir relativ sicher.
Auf eine große Doppeltür ging er zu, öffnete die rechte Hälfte, und noch kühlere Luft schlug uns entgegen.
Luigi machte Licht.
Wir befanden uns in einem Salon. Möbel aus der Barockzeit standen hier. Kein Staubkörnchen lag herum. Der Raum wirkte trotz der Einrichtung kalt und unpersönlich.
Wir durchquerten ihn.
Nur unsere Schritte waren zu hören. Die Stille fiel direkt auf.
Selbst die Wände strahlten das Schweigen ab. Durch eine weitere Tür führte uns der Mann in einen anderen Trakt des Schlosses. Hier fanden wir uns zwischen hohen Wänden, kahlen Mauern und langen Gängen wieder. In einer abgeteilten Nische standen Weinfässer.
Wir schienen richtig zu sein.
»Eigentlich hatten wir in den Keller gewollt«, sagte ich.
»Wir sind gleich da«, erklärte Luigi, ohne sich nach mir umzudrehen.
Er folgte seinem Vater auf dem Fuß, der tiefer in den Gang hineinschritt. Und dieser nahm immer mehr die Form eines Stollens an.
Die Decke wurde tiefer. Es gab keine Betonmauern mehr, sondern dunkle, rissige Wände. Der Geruch von Alter und Feuchtigkeit drang in unsere Nasen. Zum Glück kam es nicht so weit, daß wir uns bücken mußten. Auch war der Gang erleuchtet. An der Decke brannten Glühbirnen. Die sie verbindende Leitung war nicht unter Putz gelegt worden.
Als Romano Canotti stehenblieb, erkannten wir den Grund nicht sofort. Erst nach zwei weiteren Schritten sahen wir die im Boden eingelassene Eisenluke, die einen Griff besaß.
»Von hier aus gelangen Sie in den Keller«, erklärte mir der Italiener.
»Ist das der normale Weg?« fragte ich ihn.
Er hatte sich schon gebückt und drehte jetzt den Kopf, um mich
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