0335 - Die goldenen Skelette
anzuschauen.
»Hatten Sie nicht in den Weinkeller gewollt?«
»Ich wollte dorthin, wo jemand geschrien hatte.«
Er hob die Schultern und zog dabei die Luke auf. Eine andere Antwort bekamen wir nicht.
Da sich auch Luigi gebückt hatte, konnte ich über seine Schulter schauen und entdeckte eine schräg nach unten führende Rutsche. So etwas kannte ich auch von Bierkellern her, es war also völlig normal.
Nur die Art gefiel mir nicht.
Ich packte Luigi, da er mir am nächsten stand, an der Schulter und wirbelte ihn herum. »Sie wollen doch nicht behaupten, daß hier der Zugang zum Keller ist?«
»Natürlich will ich das«, erwiderte er frech.
»Und wo gehen Sie hinein?«
Er fing plötzlich an zu grinsen und schüttelte durch eine rasche Bewegung meine Hand ab.
Ich merkte, daß etwas nicht stimmte, hörte plötzlich ein Pfeifen hinter mir und wollte mich wegducken.
Zu spät!
Etwas prallte von hinten mit großer Wucht gegen meinen Rücken und traf auch den Hals. Gleichzeitig hörte ich Suko erstickt schreien, und er verschwand plötzlich aus meinem Blickfeld.
Ich wurde nach vorn gestoßen, versuchte, mich noch an Luigi festzuklammern, er aber schlug mir die Faust gegen die Wange.
Dann war die Luke da.
Hinüberspringen konnte ich nicht, trat ins Leere, auf die Rutsche und raste im nächsten Augenblick nach unten.
Die Familie Canotti hatte doch noch gewonnen!
***
Schon sehr oft war es der mütterlich wirkenden Maria Canotti dank ihres Aussehens gelungen, andere Menschen zu täuschen. Nur wenige wußten, daß sich hinter dem so glatten Gesicht das Antlitz eines Teufels verbarg. Nicht die beiden Männer in der Familie hatten das große Sagen, sondern sie bestimmte, wie der Hase laufen sollte.
Zu Beginn hatte sie abgewartet, doch während des Gesprächs festgestellt, daß diese drei Männer gefährlich waren. Nicht durch Zufall hatten sie den Weg in das Schloß gefunden, denn die Zeichen der Magie standen mittlerweile auf Sturm.
Maria Canotti hatte sich genau zum richtigen Zeitpunkt zurückgezogen. Sie lächelte, als sie die Treppe hochschritt und nicht daran gehindert wurde. Bei ihrem Aussehen kaufte ihr niemand die Teufelin ab, die sie tatsächlich war.
So ging sie die Stufen hoch und blieb im letzten Drittel der Treppe im Dunkeln stehen. Sie wollte nicht unbedingt gesehen werden, aber sie konnte, wenn sie genau auf der drittletzten Stufe stehenblieb, alles hören, was in der Halle gesprochen wurde.
Darauf kam es ihr an.
Gespannt verfolgte sie den Dialog. Ihr Mund hatte sich in die Breite gezogen, die Augen waren verengt, der Blick kalt und grausam. Sie hörte, daß die anderen beiden nicht aufgeben würden, nachdem sie den dritten Mann weggeschickt hatten.
Ein Begriff fiel.
Romano sprach von einem Weinkeller!
Für Maria Canotti war es das Stichwort. Dieser Weinkeller würde zur Todesfalle werden, das stand für sie jetzt schon fest. Die beiden Fremden brauchten nur mehr dorthin gelockt zu werden, und so etwas sollte ihren beiden Männern nicht schwerfallen.
Der Joker in diesem Spiel war Maria. Sie kannte es. Schon mehrmals waren Menschen einfach verschwunden. Die Polizei stand vor einem Rätsel. Sie forschte in den Dörfern nach. Niemand konnte eine Antwort geben, und man ging schließlich davon aus, daß sich die Mafia eingeschaltet hatte, obwohl man nicht in Sizilien lebte, sondern in Mittelitalien.
Aber das war Nebensache. Schließlich brauchten die Wesen Nahrung.
Wieder lächelte Maria, als sie daran dachte, und sie lächelte auch dann noch, als die vier Männer losschritten, um den Weinkeller zu »besichtigen«.
Genau in diesem Augenblick löste Maria ihren Gürtel. Schon von Jugend an hatte sie der Umgang mit der Bola interessiert, und sie hatte – was wohl in Italien einmalig war – mit dieser Waffe so lange geübt, bis sie die Bola perfekt beherrschte.
Sie konnte damit töten oder auch bewußtlos schlagen. Es lag in ihrer Hand.
Heute wollte sie töten.
Welchen der beiden. Männer sie sich aussuchte, stand noch nicht fest, das ergab die Lage.
Als sie die Waffe gelöst hatte, vertiefte sich das böse Lächeln auf ihren Lippen. Die Kugeln schwangen leicht hin und her, als sich Maria Canotti in Bewegung setzte und langsam die Stufen der Treppe nach unten schritt. Sie nahm den gleichen Weg zurück, nur ging sie diesmal vorsichtiger. Jedes Geräusch vermied sie dabei, denn sie kannte genau die Stellen der Treppe, wo sie auftreten mußte, um ein Knarren oder Quietschen zu vermeiden. Am
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