0335 - Zentaurenfluch

Titel: 0335 - Zentaurenfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa

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auszuschließen, daß hier ein ähnlicher Fall vorlag…
    Zamorra wiederholte die Geste, die die Drachenechse ihm gezeigt hatte, und ließ sich vor der Bestie im Schneidersitz nieder. Er wußte, daß er ein tödliches Risiko einging. Vielleicht spielte das Ungeheuer nur Katz und Maus mit ihm und vergnügte sich daran, ihn zu täuschen und damit zu quälen. Aber so ganz glaubte er das nicht. Die Bestie hätte ihn, als sie ihn vom Baum pflückte, mühelos zermalmen können, wenn die Zähne nur ein wenig anders zugepackt hätten. Zamorra sah jetzt, daß der Unterkiefer horizontal beweglich war. Die Zähne konnten Lücken lassen, aber auch wie Messerklingen gegeneinander reiben und die Beute förmlich zerschneiden.
    Die Drachenechse hatte das aber nicht getan.
    Jetzt legte sie den mächtigen Schädel etwas schräg und kratzte mit den Krallen der linken Pranke Zeichen in den Boden, wischte Laub und Zweige beiseite. Zamorra beugte sich vor und versuchte, die Zeichnungen zu erkennen.
    Da waren als Streichfiguren eine Drachenechse, ein Mensch und ein Zentaur zu sehen, wenn man genug Fantasie aufwies.
    Das war für Zamorra der letzte Beweis, daß die Drachenechse intelligent war. Sie war mehr als eine reißende Bestie der Frühzeit.
    Aber was bedeutete die Nebeneinanderstellung der drei Wesen? Was wollte die Echse damit sagen?
    Mit einem neuerlichen Strich trennte die Echse jetzt den Zentauren von Echse und Mensch. Das war eine deutliche Abgrenzung, verstand Zamorra: Wir gehören zusammen, und mit dem Zentauren haben wir nichts zu tun!
    Er entsann sich seiner Vision im Flugzeug. Ein Zentaur, der eine rotschuppige Echse bekämpfte… waren Zentauren und Drachenechsen Erzfeinde? Es war anzunehmen. Aber wenn diese Drachenechse ein intelligentes und eigentlich friedfertiges Wesen war, wie Zamorra nach diesem Verständigungsversuch des überlegenen Geschöpfs annehmen mußte, wie waren dann Zentauren einzustufen?
    Als bösartig?
    Zamorra seufzte. Wenn es doch nur eine Möglichkeit zur Verständigung gäbe! »Kannst du eigentlich auch sprechen?« fragte er.
    Die Echse lauschte, reagierte dann aber nicht darauf. Statt dessen zeichnete sie wieder. Über dem Echsenabbild entstand ein fünfzackiger Stern, ein Drudenfuß.
    Zamorra atmete tief durch. Bedeutete das nicht, daß die Drachenechse sich mit Magie befaßte? Der Drudenfuß war in nahezu allen Kulturen einer bestimmten Reife das Symbol für Magie einer ganz besonderen Art…
    Im nächsten Moment zeichnete die Echse auch über das Mensch-Zeichen einen Drudenfuß, wischte ihn wieder fort, zeichnete ihn neu und sah Zamorra dabei an. Fragend, wie es ihm erschien.
    Vielleicht war das eine Möglichkeit der Verständigung!
    Das Amulett war immer noch inaktiv, der Ju-Ju-Stab war eine Waffe und mehr nicht. Aber da waren die beiden Gemmen. Zamorra nahm eine davon aus der Tasche und legte sie in erreichbare Nähe der Echse. Die griff ganz vorsichtig zu und zog sie zu sich heran. Eingehend betrachtete sie die eingravierten winzigen Zeichen.
    Zamorra legte die zweite Gemme vor sich auf den Boden. Dann nahm er die Kreide. Auf dem Boden damit zeichnen konnte er schlecht, aber er konnte ein wenig zu Staub zerpulvern und streuen. Er zog eine Verbindungslinie zwischen den beiden Gemmen und berührte »seine« dann mit der rechten Hand.
    Der magisch aufgeladene Kreidestaub, der eine Verbindung zwischen den beiden Gemmen schuf, konnte möglicherweise eine Verständigung ermöglichen.
    Die Drachenechse begriff, was von ihr verlangt wurde. Sie berührte »ihre« Gemme ebenfalls mit der rechten Pranke.
    Im gleichen Moment klang eine Stimme in Zamorras Bewußtsein auf. Sie wurde nicht laut hörbar, sondern war nur mit dem Geist zu erfassen.
    »Ich hatte gehofft, daß wir einen Weg finden würden, miteinander zu sprechen…«
    »Ja«, sagte Zamorra und sah an der Reaktion der Drachenechse, daß er ebenso verstanden wurde. »Ja… mit den Gemmen wird es möglich. Wer bin du.«
    Verständnislosigkeit wurde übermittelt. »Ich bin ich.«
    »Ich bin Zamorra. Wie kann ich dich nennen?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Jedes lebende Wesen hat eine Bezeichnung und einen Namen. Ich bin ein Mensch, und mein Name lautet Zamorra. Du bist eine Drachenechse. Wie ist dein Name?«
    »Ich kenne diesen Begriff nicht. Ich… ich habe keinen Namen.«
    Zamorra war verblüfft. »Bist du das einzige Geschöpf deiner Art?«
    »Nein. Es gibt noch einige andere, die aussehen wie ich, aber wir haben das nicht, was du Namen nennst.