0335 - Zentaurenfluch
Wir unterscheiden uns durch Farben. Ich bin Rot. Andere sind grün oder blau…«
»Dann nenne ich dich Reddy«, sagte Zamorra. Er war erstaunt, wie perfekt die Magie wirkte. Jeder Begriff wurde sinngemäß übermittelt und in die Begriffswelt des Gesprächspartners übersetzt. Es gab eigentlich keine Mißverständnisse.
»Wer sind die Zentauren?«
»Bösartige Wesen«, sagte Reddy. »Sie stellen uns nach. Sie haben uns schon fast ausgerottet. Niemand weiß, woher sie kamen. Es gibt keine Möglichkeit, sich mit ihnen zu verständigen. Sie halten uns wahrscheinlich für wilde Tiere. Ich bin froh, daß du anders bist.«
»Sind sie durch ein Weltentor gekommen?« fragte Zamorra. »Durch eins wie das, das meine Gefährtin und ich benutzten?«
»Niemand weiß es. Sie waren plötzlich da«, sagte die Drachenechse. »Sie sind nicht viele, aber sie sind gefährlich. Sie vermehren sich nicht, obgleich sie zwei Geschlechter sind. Aber ich habe auch noch keinen Zentauren sterben gesehen. Dabei leben sie schon hier, solange dieser Wald steht. Tausend mal tausend Tage und mehr.«
Also etwa 3000 Jahre, überlegte Zamorra. Gesetzt den Fall, die Tage waren in dieser Welt ebenso lange wie auf der Erde…
Hatte es vor 3000 und weniger Jahren nicht auch in der griechischen Mythologie Zentauren gegeben? Und die waren, wie Zamorra wußte, alles andere als erfundene Fabelwesen gewesen. Waren sie vielleicht von der Erde nach hier gekommen, oder umgekehrt?
Es hatte nicht viel Sinn, die Drachenechse danach zu fragen. Reddy hatte ja schon einmal ausgesagt, daß die Herkunft der Zentauren unbekannt sei. Es gab wohl keine andere Möglichkeit, als die Zentauren selbst zu fragen. Aber Zamorra war nicht wegen der Zentauren in diese Welt gekommen, sondern wegen Monica Peters.
Er beschrieb das blonde Mädchen. »Hast du dieses Wesen mit dem Namen Monica sehen können, Reddy, wie es durch das Weltentor kam?«
»Ja!« erwiderte Reddy. »Ich sah es, und es wurde von einem Mensch-Pferd entführt. Ich versuchte es zu verhindern, aber es gelang nicht. Es war eines der wenigen Male, daß ein Zentaur, wie du die Mensch-Pferde nennst, vor einem Wesen meiner Art floh. Sonst kämpfen sie immer. Deshalb gehen wir uns meist aus dem Weg.«
»Wohin entführt?« fragte Zamorra erregt. - »Tiefer in den Wald hinein. Es gibt Wege, die ich nicht zu beschreiten vermag, weil sie zu schmal sind. Dorthin, wo die Mensch-Pferde leben, führen nur schmale Wege. Daher weiß niemand genau, wo sie sich niedergelassen haben. Wir haben sie nie gefunden.«
»Warum haben sie Monica entführt?«
»Das, Zamorra, kann ich dir nicht sagen«, erwiderte Reddy. »Ich kann dich nur dorthin führen, wo der Weg der Entführung für mich unbegehbar wird.«
»Dafür wäre ich dir dankbar«, sagte Zamorra. Ihm fiel noch etwas anderes ein. »Das Weltentor, durch das ich gekommen bin, ist hinter meiner Gefährtin und mir wieder verschwunden. Wir können es nicht mehr finden. Aber wir wissen, daß du es zu benutzen versucht hast, um einen Blick in unsere Welt zu werfen. Kannst du es für uns öffnen, wenn wir wieder zurückkehren wollen?«
»Das Tor ist immer noch vorhanden und offen«, stellte Reddy verwundert fest. »Kannst du es wirklich nicht sehen?«
Zamorra sah wohl die steinerne Treppe, die hangabwärts führte. Aber ein Weltentor war nicht zu entdecken. Er verneinte die Frage.
»Dann mag es sein, Mensch Zamorra, daß das Tor allein für euch Menschen nur in einer Richtung begehbar ist. Ein Zentaur hat es mit seinem Zauberlied geschaffen. Oder zumindest dauerhaft geöffnet«, schränkte Reddy ein. »Vielleicht war es schon vorher da, aber niemand konnte es sehen.«
»Aha«, machte Zamorra. Von dieser Seite geöffnet, vielleicht von der anderen Seite mit präparierter Tapete versehen… es mochten viele Fakten zusammenspielen. Aber es erschien- ihm plötzlich, als werde hier ein sorgfältig ausgeklügelter Plan verfolgt. Das Verschwinden Monicas in dieser Welt, ihre sofortige Entführung durch einen Zentauren… die Zentauren schienen einen Menschen in ihre Gewalt bringen zu wollen, und das war ihnen gelungen. Aber warum das alles?
»Sie müssen in unserer Welt jemanden haben, der ihnen hilft«, überlegte Zamorra halblaut. »Oder meine Überlegungen sind alle restlos falsch.«
»Diesen deinen Gedanken kann ich nicht folgen, weil mir die Grundlagen fehlen«, teilte Reddy ihm mit.
Zamorra sah sich um. Er begann sich Sorgen um Nicole zu machen. Sie mußte doch längst
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