0337 - Der »Sanfte« kennt jeden Trick
erklärt: Ich erkenne in dem Toten, der mir unter Nummer 28 gezeigt wurde, meinen Bruder John Frost. Die Ähnlichkeit zwischen diesem Toten und meinem Bruder ist so groß, dass ich an der Identität trotz der Verletzungen nicht zweifele. Darüber hinaus wird jeglicher Zweifel dadurch ausgeschlossen, dass der Tote ein handtellergroßes, bräunliches Muttermal auf dem Rücken aufweist. Mein Bruder besaß ein solches Muttermal.«
Ich packte die Akten in den Umschlag, das Bild ausgenommen. Die Aufnahme von der Leiche des John Frost schob ich in die Brusttasche zu den beiden Bildern von Ted Sheridan, die ich immer noch bei mir trug.
In irgendeinem Drugstore schlang ich ein dürftiges Essen hinunter. Dann fuhr ich zur 14. Straße und ließ mich bei Harvey Frost melden. Eines der Girls telefonierte mit dem Chef und führte mich dann zu ihm.
Harvey Frost verriet mit keiner Miene, dass mein Besuch ihm lästig fiel.
»Haben Sie Ihren Neffen gesprochen?«, erkundigte ich mich.
»Harry nicht, sondern nur seine Frau. Es war ein kurzes Gespräch. Ich übergab ihr den Scheck und wir wechselten nur wenige Worte miteinander.«
»Wissen Sie, ob Harry Syth zu Hause war?«
»Ich nehme es an, aber ich sah ihn nicht.«
»Danach kamen Sie in ihr Büro?«
»Selbstverständlich. Warum fragen Sie?«
»Heute Vormittag wurde ein Raubüberfall auf eine Bank verübt.«
Frost brach in helles Gelächter aus.
»Und Sie verdächtigen mich, ich könnte daran beteiligt sein? Wirklich, G-man, entschuldigen Sie, wenn mich dieser Gedanke zum Lachen reizt. Wie kommen Sie darauf?«
»Die Gangster, die die Bank überfielen, schrieben die gleiche Handschrift, die Ihr Bruder in Frisco schrieb.«
Sein Gelächter brach ab. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, sah ich etwas wie Zorn in seinem Gesicht.
»John ist tot«, bellte er, »und ich verbitte mir, Mister Cotton, dass Sie mich in irgendeinen Zusammenhang mit ihm bringen.«
»Und wenn er noch lebte?«
»Lachhaft. Ich habe seine Leiche mit meinen eigenen Äugen gesehen. Ich habe ihn identifiziert.«
»Genau. Sie haben ihn identifiziert - Sie und sonst niemand. Es wäre immerhin vorstellbar, dass Sie Ihrem Bruder die Chance für den Beginn eines neuen Lebens verschafften, indem Sie einen anderen…«
Seine Faust krachte auf den Tisch.
»Sie bezichtigen mich des Meineides, des Betruges und der Unterstützung eines steckbrieflich gesuchten Mörders«, schrie er. »Wenn Sie noch ein Wort dieser Art äußern, muss ich Sie ersuchen, mein Büro sofort zu verlassen.«
»Beruhigen Sie sich, Harvey Frost«, erwiderte ich kalt. »Es geht mir lediglich darum jeden Zweifel an John Frosts Tod auszuschließen. Durch New York geistert ein Gangster. Die Unterwelt nennt ihn den Sanften. Er begeht seine Verbrechen mit der gleichen Rücksichtslosigkeit, mit der Ihr Bruder vorging. Er benutzt die gleiche Sorte Waffen, nämlich Maschinenpistolen und Handgranaten.«
»John ist tot«, wiederholte er stur.
»Okay, nehmen wir seinen Tod als Tatsache. Sie selbst haben Ihren Neffen verdächtigt, er könnte jenen Ted Sheridan, der Sie ermorden wollte, in Ihre Villa geschickt haben. Inzwischen steht ziemlich fest, dass Sheridan für den Sanften arbeitete. Halten Sie es für möglich, dass Harry Syth in Verbindung mit der Bande steht?«
»Ich weiß es nicht, aber ich fürchte, dass Harry von der schiefen Bahn, auf die er nun einmal geraten ist, nicht mehr herunterkommt. Das ist alles, was ich über ihn sagen kann.«
Er drückte einen Klingelknopf.
»Wenn Sie gestatten, Mister G-man«, sagte er in seiner üblichen, ausdruckslosen Art, »werde ich Ihnen beweisen, dass ich mit all diesen Verbrechen nichts zu tun habe.«
Das Girl, das mich zum Chef geführt hatte, kam herein.
»Miss Snyder, würden Sie diesem Gentleman bitte sagen, wann ich das Büro betreten habe.«
Das Mädchen sah erst Frost, dann mich erstaunt an.
»Etwa um 10 Uhr, Mister Frost.«
»Habe ich es zwischendurch verlassen?«
»Nein, Mister Frost. Sie gingen ja heute nicht zu Tisch, deswegen ließ ich Ihnen ja den Imbiss vom Drugstore holen.«
Sie sagte das in einem erstaunten Tonfall, als wundere sie sich über das schlechte Gedächtnis ihres Chefs.
»Kann ich das Büro verlassen, ohne dass Sie es bemerken würden, Miss Snyder?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht, Mister Frost. Wenn Sie gehen, müssen Sie doch durch den Raum, in dem ich sitze, und ich habe heute meinen Platz noch nicht verlassen.«
»Danke, Miss Snyder. Sie können gehen.«
Er
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