034 - Der Hexer
Sie waren der Kerl, der das Leben des Direktors rettete? Ja, ich erinnere mich, ich hab' es gelesen - gratuliere!«
Er versuchte, Herr der Lage zu werden. Schon andere hatten sein Büro gezähmt verlassen.
»Warum haben Sie Mary weiter für Sie arbeiten lassen?«
»Weil ich es mir nicht leisten kann, wohltätig zu sein, mein Lieber!«
»Ich hatte Ihnen beinahe vierhundert Pfund gegeben! Den Erlös aus meinen ersten - Diebstählen.«
»Sie sind doch gut verteidigt worden?«
»Ich kenne das Honorar. Warum haben Sie Mary das Geld nicht ausbezahlt?«
Messer zündete sich eine Zigarre an. Er ließ das Streichholz bis zu den Fingerspitzen abbrennen, bevor er sprach.
»Ich will es Ihnen sagen. Ich habe mich um Sie gesorgt, Johnny - ich mag Sie und habe mich immer für Sie und Ihre Familie interessiert. Ich war der Meinung, daß ein Mädchen, das allein lebt und keine Arbeit hat, sich unglücklich fühlen muß. Ich tat Ihnen und ihr einen Gefallen, wenn ich ihr Arbeit gab, ihren Geist beschäftigte - das sehen Sie doch ein? Ich empfinde ein väterliches Interesse ...«
Er sah Johnnys herausfordernden Blick und senkte die Augen.
»Wollen Sie Ihre väterlichen Phrasen bei sich behalten, wenn Sie mit mir sprechen, Maurice?«
»Mein lieber Junge!«
»Hören Sie zu! Ich kenne Sie ziemlich genau. Ich kenne schon lange Ihren Ruf, und ich kenne Sie persönlich. Ich weiß genau, was hinter diesem väterlichen Interesse steckt. Wenn irgend etwas vorgefallen ist wie bei Gwenda Milton, dann sehen Sie sich vor! Ich scheue den Weg um neun Uhr morgens nicht!«
Messer warf den Kopf zurück.
»Was?« krächzte er heiser.
»Von der Zelle an den Galgen!« fuhr Lenley fort. »Und ich werde mich leichten Herzens auf die Falltür stellen - Sie verstehen mich doch?«
Messer stand auf.
»Sie wollen den Weg um neun Uhr morgens auf sich nehmen?« fragte er höhnisch. »Das ist sehr hübsch ausgedrückt. Aber nicht meinetwegen werden Sie ihn antreten - ich werde den Bericht darüber im Bett lesen.«
Er setzte sich ans Klavier, die Finger glitten über die Tasten, die herzerweichenden Töne des sentimentalen Liedes ›Tod eines Kosaken‹ erklangen.
»Ich habe diese Berichte immer im Bett gelesen«, rief er, weiterspielend, über die Schulter, »sie wirken beruhigend. Sie wissen doch, wie es heißt? Etwa so: ›Der Verurteilte verbrachte eine schlaflose Nacht und rührte das Frühstück nicht an. Festen Schrittes und schweigend bestieg er das Schafott. Ein Leben, das vielversprechend begonnen hatte, fand ein elendes Ende.‹«
»Ich habe Sie gewarnt, Maurice - wenn etwas vorfällt, erwische ich Sie noch vor dem Hexer! « Johnnys Stimme zitterte vor unterdrückter Erregung.
»Hexer!« Messer lachte verkrampft. »Glauben Sie auch an dieses Märchen?« Er ergriff das Glas Whisky, das er aufs Klavier gestellt hatte, und leerte es in einem Zug.
Johnny Lenley zog ein kleines Paket aus der Tasche und öffnete es. Darin lag, sorgfältig in Watte verpackt, ein mit Steinen besetztes Armband.
»Ich weiß nicht, was ich von Ihnen noch zu erwarten habe, jedenfalls - dafür bekomme ich noch etwas!«
»Oh, das Armband!« Messer ging damit ans Licht. »Und ich wunderte mich schon, was Sie damit angefangen hätten.«
»Ich holte es auf dem Weg hierher ab - bei einem Freund. Es ist das einzige, was mir geblieben ist. Drei Diebstähle - und dies das Resultat!«
Messer zupfte nachdenklich an seiner Oberlippe. In seinem Gehirn reifte ein Plan.
»Spielen Sie auf Ihre zweite Heldentat an? Ich meine - die kleine Sache in Camden Crescent?«
Lenley winkte ungeduldig ab.
»Die Camden-Crescent-Sache ist für mich erledigt. Der Kerl, den Sie mir mitgaben, ist mit dem Zeug durchgebrannt - so jedenfalls lautete Ihre Version ...«
»Ich habe Sie -«, begann Messer langsam und vertraulich, »damals belogen. Der Mann ist damit nicht durchgebrannt.«
»Was?«
»Er versteckte es im Nebenhaus und gab mir Bericht. Ich verhalf ihm dann zur Reise nach Südafrika. Doch wollte ich nichts mehr damit zu tun haben, nachdem die Darnleigh-Sache dazwischen gekommen war, und deshalb habe ich es Ihnen nicht gesagt. Es war mir einfach zu riskant, und ich habe die Sachen auch nie abholen lassen.«
»Lassen Sie sie, wo sie sind!« sagte Lenley, aber es klang unentschlossen und nicht sehr überzeugend.
Messer lachte. Es war heute sein erstes natürliches Lachen.
»Sie sind ein Narr! Sie haben Ihre Zeit abgesessen, und was haben Sie davon? Das!« Er hob das Armband hoch.
Weitere Kostenlose Bücher