034 - Der Hexer
hören. Hackitt kam mit einer Handvoll Briefen zurück. »Die Post ...«, begann er und stockte.
»Hackitt«, fragte Lomond sanft, »wer ist außer Ihnen und Messer noch im Haus?«
Sam sah den Doktor mißtrauisch an. »Niemand. Die alte Köchin ist krank.«
»Wer macht Messers Frühstück?«
»Ich.«
Lomond deutete zur Zimmerdecke hinauf. »Was ist über diesem Zimmer?« »Die Rumpelkammer.« Hackitts Verlegenheit nahm zu. »Was ist los, Doktor?«
»Ich dachte nur - nichts weiter. Ja, gibt es einen Schlüssel dazu?«
Sam zögerte. Wie jeder Dieb hatte er den Wunsch, sich so dumm wie möglich zu stellen.
»Ja, ein Schlüssel ist da«, sagte er endlich. »Er hängt über dem Kaminsims. Ich weiß es zufällig, weil ...«
»Weil Sie ihn ausprobiert haben«, vollendete Lomond.
»Wollen Sie die Rumpelkammer sehen, Doktor?«
Kaum waren sie die Treppe hinaufgestiegen, als Wembury mit Mary Lenley ins große Zimmer zurückkam.
Krampfhaft überlegte Alan, wie er Mary warnen sollte.
»Fühlen Sie sich hier wohl?« fragte er verlegen.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich meine - nun, Messer ... Weiß Ihr Bruder, daß Sie noch hier arbeiten?«
»Nein, ich wollte ihm nicht noch mehr Sorgen machen. Johnny schreibt manchmal so seltsame Briefe.«
Alan seufzte.
»Mary, Sie wissen doch, wo Sie mich finden können?«
»Ja, Alan, Sie haben mir das schon einmal gesagt!« erwiderte sie erstaunt.
»Ja. Doch - nun, Sie wissen nicht, was für Schwierigkeiten eintreten könnten. Ich möchte - ich ... Nun, wenn unangenehme Dinge geschehen sollten ... Ich möchte, daß Sie das Gefühl haben -« Er sprach ganz unzusammenhängend.
»Unangenehme Dinge?«
»Ja - wenn Sie in Not sein sollten«, fuhr er verzweifelt fort. »Sie wissen doch, was ich meine? Wenn Sie belästigt werden -wenn jemand, wenn er ... Wie soll ich mich ausdrücken? Dann sollten Sie zu mir kommen - versprechen Sie es mir?«
»Alan, Sie werden sentimental!«
»Ich bedaure.«
Er griff schon nach der Türklinke, als er seinen Namen hörte.
»Sie sind aber doch ein lieber Mensch!« rief sie sanft.
»Nein, ich glaube, ich bin ein verdammter Esel!« Wütend schlug er die Tür hinter sich zu.
28.
Zu Messers Haus führte ein Weg, den nur drei Menschen kannten. Einer davon war tot. Der zweite saß zweifellos im Gefängnis - Johnny. Und der dritte? Messer schob den Gedanken beiseite.
Das Grundstück hatte sich einst viel weiter, bis hinunter zum Ufer eines schmutzigen Bachs, ausgedehnt. Dort stand auch jetzt noch ein kleiner, baufälliger Schuppen auf einem verlassenen, unkrautbewachsenen Platz. Schuppen und Platz gehörten Messer, obgleich sie vom Haus in der Flanders Lane durch einige fremde Gebäude und winklige Gassen getrennt waren.
An diesem Morgen kam ein junger Mann das Kanalufer entlang. Vorsichtig schaute er sich um, ob er beobachtet würde. Mit einem Schlüssel öffnete er das verwitterte Tor der Umzäunung und betrat den verwahrlosten Platz. Mit dem gleichen Schlüssel, mit dem er das äußere Tor geöffnet hatte, schloß er auch die Tür des Schuppens auf. Von innen sperrte er wieder zu und stieg eine Wendeltreppe hinab, die erst vor wenigen Jahren erbaut worden war. Am Ende der Treppe begann ein mit Ziegelsteinen ausgelegter niedriger Gang. Es gab kein Licht, aber nach wenigen Schritten fand der Ankömmling eine kleine Nische, in der Messer einige Taschenlampen aufbewahrte. Er ließ eine davon aufleuchten und tappte vorwärts. Nach wenigen Minuten wandte sich der Weg scharf nach links und endete in einem Keller. Von da führte eine mit Teppichen ausgelegte Treppe aufwärts. Der Mann stieg vorsichtig und leise die Stufen hinauf. Auf halber Höhe spürte er, wie eine Stufe unter seinem Fuß leicht nachgab.
Er lächelte, denn er wußte, daß es die Vorrichtung war, durch die die Warnlampe in Messers Zimmer aufleuchtete.
Er gelangte an die getäfelte Wand und horchte. Er hörte Stimmen - die Messers, dazwischen die Mary Lenleys! Er runzelte die Stirn. Mary hier? Er hatte geglaubt, Mary habe die Arbeit aufgegeben. Er legte das Ohr an die Täfelung und lauschte.
»Ach, meine Liebe«, hörte er Messer sagen, »Sie sind -wunderbar!«
»Und Sie sind albern, Maurice!« antwortete Mary ärgerlich. Offenbar hatte sich Messer ans Klavier gesetzt, es erklangen einige leise Töne, dann wieder Marys Stimme - und Geräusche eines kleinen Kampfes.
Messer hatte Mary bei den Schultern gepackt. Er wollte sie an sich ziehen, als er, über ihre Schulter hin, sah, wie sich
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