0346 - In der Nachbarschaft des Todes
Achseln.
»Ich weiß nicht. Sehr reich war er bestimmt nicht. Er war gut versichert und lebt mit seinem Diener von einer Unfallrente. Dazu bezahlt ihm die Firma, für die er früher gearbeitet hat, monatlich einen Zuschuß. Aber in ein paar Wochen wird er ein reicher Mann sein.«
»Wieso?«
»In Kalifornien ist seine Mutter gestorben. Sein Vater ist schon lange tot. Jetzt erbt er das ganze Vermögen. Jedenfalls stand das in der Zeitung. Es müssen nur noch ein paar Formalitäten mit dem Gericht und mit der Erbschaftssteuer geklärt werden, hieß es, dann kann er über vier Millionen Dollar verfügen. So viel Geld soll seine Mutter hinterlassen haben.«
Bronson grinste breit.
»Seit das in den Zeitungen stand«, fuhr er fort, »interessiert sich auf einmal auch seine frühere Verlobte wieder für ihn. Nach dem Unfall hat sie ihn nämlich verlassen. Wohl wegen des verbrannten Gesichts. Aber vor ein paar Tagen rief sie ein paarmal an.«
»Woher wissen Sie das?«
»Mister Lancashire rief mich an und fragte, ob man seinen Telefonanschluß nicht so einrichten könnte, daß alle Anrufe zunächst in unserem Büro ankämen. Er möchte mit keinem Menschen sprechen, außer mit Rechtsanwalt Clice. Das ist der Anwalt, der die Erbschaftsfragen für ihn regelt. Die Menschen wären Hyänen, sagte Mister Lancashire zu mir. Seit die Zeitungen die Sache mit seiner Erbschaft brachten, hätte er auf einmal wieder Freunde, die sich nach seinem Befinden erkundigten. Vorher hielt das anscheinend niemand für nötig.«
»Rechtsanwalt Clice?« wiederholte ich und ließ mir den Namen buchstabieren. »War der öfter hier im Hause?«
»Nur einmal. Der Diener hat mir erzählt, daß Mister Lancashire das Zimmer völlig abdunkeln ließ, bevor der Rechtsanwalt ‘reinkommen durfte. Und außerdem trug er wieder diese Gummimaske, damit man sein Gesicht nicht sehen konnte.«
»Bleiben Sie hier«, sagte ich. »Wenn der Lieutenant zurückkommt, sagen Sie ihm, ich wäre in ein paar Minuten wieder da.«
Ich ließ B'ronson und die Leute von der Mordkommission stehen und lief die Treppe zum dreizehnten Stock hinan. Wie die Dinge lagen, mußte sich ja ein gewisser Verdacht von selbst aufdrängen. Als ich vom Treppenhaus her in den Flur des dreizehnten Stockwerks einbog, warf ich schnell einen Blick auf meine Uhr.
Es war drei Minuten nach eins. Noch eine Stunde!
***
»Neuigkeiten, Jerry«, rief Phil, als ich im Office aufkreuzte.
»Ebenfalls«, erwiderte ich. »Aber erzähl du zuerst. Habt ihr das Ding gefunden?«
»Nein, noch nicht. Aber aus der Dechiffrierabteilung im Hauptquartier kam ein Tip. Weißt du, was 13.59 Uhr bedeuten könnte?«
»Sag‘s schon!«
»Erster März 1959.«
»Erster März? Wir haben November.« »Was hat das damit zu tun? Der Täter will mit seiner Bombe an den ersten März dieses Jahres erinnern.«
Ich tippte mit dem Zeigefinger an die Stirn.
»Du meinst, er ist hier oben ein bißchen durcheinander? Wenn er an irgendein Datum erinnern will, sollte er eine Postkarte schreiben. Da kann er sich klar und unmißverständlich ausdrücken.«
»Mach keine faulen Witze, Jerry. Der Täter will sich vermutlich an jemandem rächen für ein Ereignis, das sich am ersten März 1959 zugetragen hat. Ich Ich habe schon bei Cudwell, dem Zeitungsherausgeber, angerufen und im Distriktsgebäude und bei der Statistischen Abteilung der Stadtpolizei. Überall wird jetzt fleißig geblättert. Sie suchen alle Ereignisse heraus, die sich am ersten März zugetragen haben.«
»Du scheinst vergessen zu haben, daß wir nicht einmal mehr eine ganze Stunde Zeit haben, Phil. In einer Stadt wie New York wird man dich mit Hunderten von Ereignissen zudecken. Wie willst du so schnell das richtige herausfinden — selbst angenommen, daß deine Theorie überhaupt stimmt.«
»Wir sehen alle Ereignisse vom ersten März 59 zunächst nur daraufhin an, ob dabei jemand aus dem Clenners-Building beteiligt war. Sollten wir diesen Mann finden, so dürfte die Bombe in seiner nächsten Nähe zu suchen sein.« Ich zuckte die Achseln.
»Na schön, Phil. Es kann ja sein, daß diese ausgefallene Theorie etwas für sich hat. Ich halte mich lieber an etwas handgreiflichere Realitäten. Hier im Hause gibt — oder gab—es einen Mann, der bei einem Unfall sein Gesicht verlor. Das heißt: es wurde so verstümmelt, daß er sich seither nicht mehr unter Menschen sehen ließ. Ausgerechnet dieser Mann erbt jetzt vier Millionen. Kannst du dir schon denken, worauf ich
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