0349 - Brücke der knöchernen Wächter
näherte sich mir mit raumgreifenden Schritten. Es hatte seinen rechten Knochenarm zum Schlag erhoben. Die Degenklinge blitzte gefährlich.
Verzweifelt bemühte ich mich, meinen rechten Fuß aus dem verdammten Loch zu ziehen, strengte mich an, hörte ein Brechen und Splittern und riß gleich zwei weitere Bohlen mit, als ich endlich freikam.
Es wurde auch höchste Eisenbahn.
Das Skelett war schon verdammt nahe. Den rechten Arm hatte es noch höher gehoben.
Flucht hatte keinen Sinn, es würde mich mit der langen Klinge immer erwischen.
Deshalb griff ich an. Das Monstrum überraschte ich mit meiner Aktion, als ich mich ihm entgegenwarf. Als es zuschlug, tauchte ich schulmäßig unter dem gewaltigen Hieb hinweg und riß gleichzeitig den rechten Arm hoch.
Hinter mir hieb die Klingenspitze in die Bohlen, ich hörte noch das Splittern und wuchtete das Skelett herum. Zwischen ihm und mir baute sich eine günstige Distanz auf, so daß ich meinen rechten Fuß heben und ihn einen Moment später in den Knochenkörper rammen konnte.
Es war ein fulminanter Treffer. Der Knöcherne, sowieso kein Schwergewicht, wirbelte zurück, schlug mit seinen Gebeinen um sich und prallte voll in seine ihm folgenden Artgenossen hinein.
Sekundenlang entstand ein für mich günstiges Chaos, das ich sofort ausnutzte.
Ich warf mich auf dem Absatz herum und hetzte die Strecke zurück, die noch vor mir lag.
Mit einem großen Satz sprang ich über die Lücke in der Brücke und hörte, als ich aufprallte, das verdächtige Knirschen, als gleich mehrere Bohlen unter meinen Füßen nachgaben.
Der nächste Sprung brachte mich von dieser gefährlichen Stelle weg, und ohne einen Blick über die Schulter zu werfen, ließ ich auch den Rest der Strecke hinter mir.
Endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen. Dicht vor mir schimmerte das geheimnisvolle Tor, das noch offenstand und meine einzige Chance war.
Ich hatte den Ausflug in diese unheimliche Welt gewagt. Es war ein Fehlschlag gewesen, aber ich schwor mir in diesen Augenblicken zurückzukehren, und dann würden mich keine Skelette aufhalten.
Noch nie hatte ich Freunde im Stich gelassen. Wie ich mir einen weiteren Weg in diese Welt vorstellte, das konnte ich jetzt noch nicht sagen und lief die paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung bis zur Wand.
Bevor ich in sie hineintauchte, drehte ich mich noch einmal um und schaute zurück.
Die Skelette hatten sich wieder gefangen, aber sie folgten mir nicht mehr. Mit ihrem untrüglichen Instinkt schienen sie genau zu wissen, daß es für sie keinen Sinn hatte.
Wir starrten uns an.
Schaurig wirkten ihre gelblichen Schädel im Grau des unheimlichen Lichts, und ich stellte fest, daß wieder einmal Bewegung in sie geriet, denn sie öffneten mitten auf der Brücke einen Weg für ihren Anführer.
Der Bai kam.
Er näherte sich mit festen Schritten. Dabei schwankte die gefährliche Hängebrücke hin und her, und der Blick dieser schlimmen Gestalt war fest auf mich gerichtet.
Seine prächtige Kleidung stand im krassen Gegensatz zu dem widerlichen Schädel. In seinen Augen sah ich ein gefährliches Leuchten. Er hatte sich auf Schußweite genähert, doch die Entfernung konnte ich vergessen. Niemals würde ich ihn mit einer Silberkugel erledigen können. Nicht in dieser Welt.
Er streckte einen Arm aus, deutete auf mich und sagte Worte in seiner Heimatsprache.
Es mußte ein Befehl an die Knöchernen gewesen sein, denn sie hoben ihre Waffen, um anschließend die Klingen zu senken, damit sie mit ihren Spitzen auf mich zeigten.
Ich verstand das Zeichen. Sie hatten mich als Feind erkannt, sie würden mich jagen und versuchen, mich endgültig auszulöschen.
Irgendwo, irgendwann…
»Ich warte!« rief ich ihnen entgegen. »Verdammt, ich warte auf euch. Kommt nur!«
Nach diesen Worten drehte ich mich um, ging die nächsten beiden Schritte und sah vor mir das geheimnisvolle Leuchten, das die gesamte Sichtweite einnahm.
Dann schritt ich hinein, und Kräfte, die ich nicht erklären konnte, umhüllten mich.
Ich glaubte fest daran, in die Sicherheit zu treten. Daß mich etwas ganz anderes erwartete, damit rechnete ich nicht…
***
»Das ist ja Sinclair!«
Leila hatte die Worte ausgestoßen und sie so gesprochen wie nie zuvor in ihrem Leben, denn nichts hatte sie bisher so überraschen können. Vergessen war für sie die alte Frau, vergessen auch die Umgebung, der Bai und dessen Leibwächter, jetzt zählte nur noch der Mann, der ihnen in London
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