035 - Das Wachsfigurenkabinett
die nach ihm griffen und sich auf ihn fallen ließen, nicht beeinflussen. Er konzentrierte sich ganz auf den Dämon, der immer weiter zurückgetrieben wurde.
Dorian trat neben Madame Picard, die fasziniert zugesehen hatte. Er packte sie und stieß sie in Richtung des Dämons. Sie versuchte, das Gleichgewicht zu halten und klammerte sich an Landrop fest. In diesem Augenblick sprang der Hermaphrodit auf und streckte beide Hände aus. Eine unsichtbare Kraft hob Landrop hoch. Er schwebte für wenige Augenblicke in der Luft und schlug verzweifelt um sich, dann fiel er genau in einen Kessel, der mit kochendem Stearin gefüllt war. Er plumpste hinein und nur sein Kopf sah noch heraus.
Einige der Wachsfiguren, die erst wenig beschädigt waren, packten Dorian wieder.
»Tötet den Verräter!« brüllte der Dämon, dessen Gesicht sich immer mehr auflöste. Er konnte nicht den Blick von Phillips goldenen Augen reißen.
Plötzlich füllte Rauch den Raum. Die glosenden Kleider der Wachsfiguren hatten zu brennen begonnen und ein Regal in Brand gesteckt.
Die Wachsfiguren hielten Dorian noch immer umklammert. Seine Kehle wurde zusammengedrückt. Verzweifelt riß er die Hände zurück, die seinen Hals brechen wollten. Er entwickelte übermenschliche Kräfte, Kräfte, die er bis jetzt noch nie besessen hatte; aber wahrscheinlich floß etwas von der Stärke des Hermaphroditen auf ihn über. Unter seinen Fingern zerbröselten die Wachshände, die ihn gepackt hielten. Er konnte sich befreien und schleuderte die Figuren durch den Raum.
Das Feuer breitete sich aus. Der halbe Raum stand nun in Flammen.
Landrop schrie durchdringend. Er rutschte immer tiefer in das kochende Stearin, bis sein Kopf ganz darin verschwunden war.
Und plötzlich war der Spuk vorbei. Die Wachsfiguren erstarrten. Sie standen wieder bewegungslos da.
Phillip wandte den Kopf und sah Dorian an.
»Der Schatten ist tot«, sagte er.
Der Raum war in Flammen gehüllt.
»Rasch!« rief Dorian. »Wir müssen hinaus.«
Er warf noch einen letzten Blick auf den Kessel und sah eine verkrampfte Hand hervorgucken. Klirrend zersplitterten die Glasscheiben.
Gehetzt sah sich Dorian um. Die Flammen griffen nach Madame Picard, die fassungslos in das Chaos starrte. Sie bewegte sich nicht. Ihre Haare begannen zu brennen. Neben ihr stand starr wie eine Säule die alte Frau mit den Ringellöckchen.
»Rasch!« sagte Dorian zu Phillip, der die Augen geschlossen hatte und teilnahmslos dastand. »Komm, Phillip!«
Schließlich packte ihn Dorian und hob ihn hoch.
Madame Picard schrie, die Alte schrie, doch Dorian hatte keine Zeit; sich um die Frauen zu kümmern. Irgendwo hörte Dorian die Sirenen der Feuerwehr. Er rannte auf die Flammenwand zu. Seine Lungen füllten sich mit Rauch, und schwarze Kreise drehten sich vor seinen Augen.
Coco lag noch immer auf der Bank. Sie war völlig nackt, so wie sie der Dämon verlassen hatte. Die unheimlichen Vampirschatten saßen weiterhin reglos im Hintergrund des Lokals, und der Wirt rührte sich ebenfalls nicht.
Das Mädchen bewegte sich leicht. Die Beeinflussung des
Dämons war stark gewesen, doch er hatte ihr nicht die Seele geraubt, und nach wenigen Sekunden konnte sie wieder denken, bekam aber noch immer keine Gewalt über ihren Körper.
Sie kämpfte gegen die Lähmung an und erkannte bald, daß ihre Bemühungen vergebens waren; sie konnte sich nicht der Kraft des Dämons entziehen; dazu war sie zu schwach.
Dann bewegten sich die Vampirschatten. Sie standen auf. Ihre Gesichter verzerrten sich und sie kamen langsam näher. Coco wollte schreien, doch sie konnte es nicht.
Sie wußte nicht, daß die Vampire von Landrop den Befehl erhalten hatten, Coco zu töten. Das Mädchen konnte sich nicht erklären, wieso sich die Schattenwesen plötzlich auf sie zubewegten. Sie standen im Halbkreis um sie herum. Die Hände griffen nach ihr und rissen sie von der Bank herunter. Sie krachte zu Boden und wollte sich aufsetzen, doch noch immer hatte sie keine Gewalt über ihren Körper.
Die Gesichter der Vampirschatten wurden zu unheimlichen Fratzen. Die Mäuler öffneten sich, und die spitzen Zähne kamen zum Vorschein. Sie spürte einen Biß in ihren Oberschenkel. Der Schmerz durchraste ihren Körper. Immer mehr Zähne verbissen sich in ihrem Körper. Sie waren überall, an ihren Beinen, an den Hüften, dann an ihren Armen, und schließlich tauchten zwei Fratzen vor ihrem Gesicht auf und beugten sich immer tiefer zu ihr herab. Lippen drückten
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