0351 - Wir jagten das schnelle Gespenst
zu blieb er vor der Tür einer Kneipe stehen, als ob er jemanden suchte. Dann ging er weiter.
Einer der vielen Touristen, dachten die, die den Mann sahen.
Aber das harte Gesicht mit den stechenden Augen passte nicht zu der Erscheinung des harmlosen Bummlers.
Aus einem halb offenen Fenster grölte eine betrunkene Stimme das Lied von Wild Bill Hickock und seinem Revolver. Der Mann ging darauf zu und klopfte fast zaghaft an die Scheibe.
Drinnen ging das Licht aus. Die Stimme brach mitten im Refrain ab. Dann wurde das Fenster aufgestoßen, und ein unrasiertes Gesicht reckte sich heraus.
»Ist der Professor zu Hause?«, flüsterte der Fremde. Die fiebrig glänzenden Augen des Mannes im dunklen Fensterrahmen musterten ihn neugierig.
»Was wollen Sie denn von ihm?«
»Ich muss ihn sprechen. Es ist sehr wichtig!« Ein Geldschein wechselte den Besitzer.
»Er ist nicht da. Aber ich weiß, wo er ist. Wenn Sie einen Augenblick warten, kann ich Sie hinführen!«
»Gut!«, brummte der Fremde. »Sie brauchen es auch nicht umsonst zu tun. Aber beeilen Sie sich!« Er- trat an den Straßenrand und zündete sich eine Zigarette an.
Aus dem Hausflur kam der Sänger von vorhin, der ihn zum Professor führen sollte.
»Ist es weit?«, erkundigte sich der Fremde.
»Nee! Nur ’ne Straße weiter, in Keons Bar. Ich heiße Wilbur Sharp.«
Der Fremde überlegte einen Augenblick.
»Ich bin Smith.«
Sie gingen zusammen die Straße hinunter zu Keons Bar. Hin und wieder mussten sie einem Betrunkenen ausweichen, der auf dem Gehsteig seinen Rausch ausschlief, mit dem Rücken gegen eine Hauswand gelehnt.
»Wir sind da!«-, erklärte Sharp plötzlich und stieß die Tür eines Lokals auf, wie man es hier alle dreißig Yards finden konnte.
Wilbur Sharp ging seinem Begleiter voraus und führte ihn an einen Ecktisch, von dem aus sie das ganze Lokal übersehen konnten.
Neugierig musterte Smith seine Umgebung. Männer und Frauen aller Altersstufen lehnten an der schmierigen Theke und saßen auf wackligen Stühlen an den kleinen Tischen.
Der Fremde wurde von den Gästen unverhohlen gemustert.
Der Wirt baute sich vor dem Tisch auf.
»Was darf’s denn sein?«, erkundigte er sich. Der Mann, der sich Smith nannte, bestellte eine Flasche Bourbon. Als er den ersten Schluck nahm, verzog er angewidert das Gesicht. Das Zeug schmeckte wie Pfefferbrühe.
»Wo ist denn nun der Professor?«, fragte er leise, als der dicke Wirt sich wieder hinter die Theke zurückgezogen hatte.
Wilbur Sharp deutete auf einen Mann, der allein am Tisch saß.
»Sagen Sie ihm, dass ich ihn sprechen möchte!«, befahl Smith.
Wilbur setzte sich an den Nebentisch zu dem Mann, der den Spitznamen Professor trug.
Wilbur schwatzte unentwegt auf ihn ein. Endlich brachte er den Professor auf die Beine.
Der Professor passte in diese Umgebung. Seine Kleidung war verlottert, sein Haar ungepflegt, sein Gesicht verquollen vom Alkohol.
Nur an seiner Art zu sprechen merkte man, dass er einmal bessere Tage erlebt hatte.
Dr. Nicholas Cabot wünschte nichts sehnlicher, als das zu vergessen. Der Branntwein half ihm dabei.
»Wilbur hat mir gesagt, dass Sie mich sprechen möchten«, sagte er zögernd, »ich glaube nicht, dass ich etwas für Sie tun kann!«
Der Mann mit dem Allerweltsnamen Smith drückte Sharp die Flasche in die Hand und deutete auf einen anderen Tisch.
Sharp verstand, dass der Fremde bei der Unterredung mit dem Professor keinen Zuhörer brauchen konnte und klemmte sich die Flasche unter den Arm.
Die beiden am Tisch sprachen jetzt so leise, dass man vom Inhalt ihres Gesprächs nichts mitbekommen konnte.
Der Wirt entnahm aus dem steten Kopfschütteln des Professors, dass dieser mit den Vorschlägen des Fremden nicht einverstanden war. Langsam bewegte er sich auf die beiden zu.
»He, Mister!«, knurrte der Wirt, »lassen Sie den Professor in Frieden. Er fühlt sich hier wohl. Wenn seine Familie Sie hergeschickt hat, verschwenden Sie Ihre Zeit. Hab ich recht, Professor?«
»Reg’ dich nicht auf, Keon!«, sagte der nur.
»Er kommt nicht von meiner Frau. Er hat mir ein sehr anständiges Angebot gemacht. Ich weiß nur nicht, ob ich’s annehmen soll…«
Er wiegte den verfilzten Schopf hin und her. Mr. Smith war ärgerlich. Die Einmischung des Wirts kam ihm reichlich ungelegen.
»Also, was ist, Professor? Kommen Sie mit?«
In einem plötzlichen Anflug von Entschlusskraft stand der Angesprochene auf.
»Gut«, sagte er, »ich nehme Ihr Angebot an.«
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